0039 - Das Todesmoor
räudig. Herrenlose Tiere schienen es zu sein. Ihre Leiber waren knöchern. Sie schienen sehr hungrig zu sein. Ihr schmutziges Fell war gesträubt.
Endlich hatten sie etwas zu fressen gefunden. Einen Menschen.
Mich!
***
Sie starrten mich mordlüstern mit ihren unheimlichen Lichtern an. Sie fletschten ihr kräftiges Gebiß und zeigten mir ihre grausigen Fangzähne, die sie mir ins Fleisch hacken wollten.
Der Hund, der das Rudel anführte, duckte sich zum Sprung.
Ich wußte nicht, ob das nun noch zur Halluzination gehörte oder bereits gefährliche Realität war. Es erschien mir ratsam, nicht mehr länger stehenzubleiben und darauf zu warten, bis sich diese Frage von selbst beantwortete.
Ich zählte in der Eile zehn räudige Köter, die nach meinem Fleisch gierten. Sie sollten es nicht bekommen.
Mit einem jähen Ruck wandte ich mich um und rannte los.
Die Hunde stimmten ein wütendes Geheul an. Kläffend jagten sie hinter mir her. Sie hetzten mich durch ein enges Straßengewirr. Die vordersten Biester schnappten immer wieder nach meinen Hosenbeinen.
Ihre blitzenden Zähne verfehlten mich jedesmal nur um Haaresbreite.
Es war erstaunlich, wie schnell diese ausgemergelten Tiere noch laufen konnten. Ihr Hunger peitschte sie hinter mir her. Der Leithund schnellte in dem Augenblick hoch, als ich mich gehetzt umblickte.
Ich sah das Tier gestreckt durch die Luft sausen. Das Hundemaul war weit aufgerissen. Ich konnte tief in den gierigen Rachen des Angreifers sehen, der pfeilschnell auf meinen Hals zuflog.
Mit einem raschen Sprung fegte ich zur Seite. Ich stolperte über den Rinnstein und fiel. Hart knallte ich auf den Asphalt.
Aus! dachte ich. Jetzt bist du verloren!
Die geifernde Meute war sofort bei mir. Sie umringte mich. Ich schlug wie von Sinnen um mich, konnte die zurückzuckenden Schädel nicht treffen.
Rings um mich war ein wildes Kläffen, Knurren und Hecheln.
Mir schienen nur noch wenige Sekunden zu bleiben.
Die hungrigen Köter schenkten mir eine allerletzte Galgenfrist, bevor sie mich zerfleischen würden.
Weil ich wie verrückt um mich schlug, sprangen zwei Knöpfe von meinem Hemd ab. Auf diese Weise wurde ein Teil meiner Brust entblößt. Natürlich kam dadurch auch mein geweihtes Silberkreuz zum Vorschein.
Ein milchiger Schein ging von meinem Kruzifix aus. Ein Schein, der mich wie eine Schutzhülle umgab.
Die räudigen Hunde wichen zitternd und winselnd zurück. Ich erhob mich schweratmend. Die Köter bildeten einen großen Kreis um mich. Sie duckten sich, als erwarteten sie Prügel. Sie klemmten ihre Schwänze ein und zeigten große Angst.
Und dann hörte von einer Sekunde zur andern das schmerzhafte Pochen in meinem Kopf auf.
Die Vision der struppigen Hunde zerplatzte wie eine Seifenblase. Ich war allein. Kein Tier wollte mir mehr etwas anhaben.
Ich schaute mich irritiert um, hatte keine Ahnung, wo ich war. Auf meiner Flucht vor den Hunden, die in Wirklichkeit nicht existiert hatten, war ich hierhergekommen.
Die Mächte des Bösen hatten meinen Geist verwirrt, hatten ihm Dinge vorgegaukelt, die nicht wahr gewesen waren. Ich hatte sie jedoch als gefährliche Tatsachen akzeptiert und war davongelaufen.
Nun versuchte ich mich zu orientieren. Ich ging die Straße entlang. Ein Schild verriet mir an der nächsten Ecke, daß ich mich in der Lady Anderson’s Road befand.
Es war weit nach Mitternacht. Die Straßen waren wie ausgestorben. Es gab keinen Menschen, den ich fragen konnte, wie ich zum »White Ghost« zurückkam, denn da wollte ich zunächst einmal hin.
Ich war auf meinen eigenen Orientierungssinn angewiesen, und er ließ mich zum Glück nicht im Stich.
Von weitem sah ich schon das Lokal des Amerikaners.
Ich machte mir Sorgen um Suko. Übersinnliche Mächte hatten ihr gemeines Spiel mit uns getrieben. Es war ihnen auf Anhieb gelungen, uns zu trennen. Ich fragte mich, ob mein Partner dieselbe Vision gehabt hatte wie ich.
Als ich an einer schmalen Seitenstraße vorbeikam, hörte ich das Keuchen eines Mannes. Ich blieb stehen. In der Dunkelheit lag jemand auf dem Boden. Er schlug um sich, wie ich um mich geschlagen hatte.
Er wehrte Angreifer ab, die ich nicht sehen konnte.
Suko!
»Weg!« stieß der Chinese heiser hervor. »Weg! Haut ab, ihr räudigen Biester!«
Er stand noch unter dem Einfluß der dämonischen Macht. Ich nahm hastig mein Kruzifix ab und rannte zu meinem Freund. Ich hieb mit dem Kreuz in die Luft und vernahm im selben Moment ein gellendes Jaulen, das in
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