004 - Die Blutbestie
Stirn.
Zweige klatschten ihm ins Gesicht. Er spürte es kaum. Seine fiebernden Augen suchten die rabenschwarze Dunkelheit ab.
Daß er dem Unsichtbaren in die Hände laufen konnte, daran dachte er im Augenblick nicht. Er dachte nur an Bob und an dessen schauerliche Schreie.
Er fand eine von Füßen zerstampfte Stelle. Das Gras war hier niedergetreten.
Hier hatte ein Kampf stattgefunden. Die Erde war aufgewühlt, der morastige Boden schimmerte naß im Licht des Mondes, der soeben wieder seine dunkelgraue Wolkendecke von sich streifte.
Swift lief mit siedendem Blut der Trampelspur nach.
Er kam vielleicht zwanzig Schritte weit. Atemnot befiel ihn. Er konnte kaum noch schnaufen.
Als er den jungen Polizisten fand, entrang sich seiner von Wind und Kälte rauh gescheuerten Kehle ein schrecklicher, verzweifelter Schrei.
Bob Fencel lag im hohen Gras.
Swift wäre beinahe an ihm vorbeigelaufen.
Fencel sah schrecklich aus. Die Bestie hatte grauenvoll gewütet.
Der junge Polizist lag mit seltsam verrenkten Gliedern da.
Der Kopf war soweit zur Seite gedreht, daß Swift auch ohne Untersuchung sofort wußte, daß der unsichtbare Satan dem Jungen das Genick gebrochen hatte.
Außerdem hatte der Teufel dem Polizisten beide Arme an den Ellenbogen gebrochen.
Fencels Augen waren in fürchterlichem Entsetzen weit aufgerissen, starrten glanzlos zum wolkenverhangenen Nachthimmel empor.
Sein Mund war zu einem stummen Schrei aufgerissen.
An seinem Hals waren erschreckende Würgemale zu erkennen.
Sein Gesicht wies schreckliche Kratzspuren auf, die zum Teil bis auf die Knochen gingen. Die Haut im Gesicht war käsig. Am Hals, am Kinn, unter den Augen — überall klebten dicke Blutstropfen.
Swift konnte sich plötzlich nicht mehr auf den Beinen halten.
Er sank erschöpft auf die Knie und starrte fassungslos auf die junge Leiche. Er hätte gern geweint, aber er konnte nicht.
Swift berührte die Hände des Toten.
Er erschauerte. Sie waren jetzt, so kurz nach dem Tod, schon nicht mehr warm.
Der Unsichtbare hatte ihn mit seinen schrecklichen Teufelskrallen zerfleischt.
Die Totenflecken am Kopf des Opfers zeugten von dem heftigen Kampf, der zwischen dem unheimlichen Mörder und ihn stattgefunden hatte.
Swift fuhr sich mit zitternden Händen über die Augen.
»Mein Gott!« stammelte er benommen. »Mein Gott! Warum hast du das zugelassen?«
Die vom Moor kommenden Nebelschwaden wurden dichter, legten sich um die Schultern des Polizisten wie ein alter, zerschlissener Mantel.
Er spürte die grauen Geisterhände nicht. Für ihn versank die Welt in einer schrecklichen, tiefen schwarzen Gruft.
Swift schlug mit langsamen Bewegungen das Kreuz. Dann richtete er sich steif auf.
Er wandte sich mit mechanischen Bewegungen um und wollte zum Dienstwagen zurückgehen. Die entsetzliche Furcht vor dem Unsichtbaren war mit einem Mal wie weggeblasen.
Er ging vier Schritte von der Leiche weg.
Da geisterte plötzlich wieder dieses fürchterlich hämische Teufelslachen durch die Nacht und ließ den alten Polizisten wie Espenlaub erzittern.
Es war ihm klar, daß nun er an der Reihe war.
Wie ein unschuldig zum Tode verurteilter Büßer schloß er die schmerzenden Augen und wartete mit angehaltenem Atem auf den vernichtenden Hieb der Teufelspranke...
Der Hieb blieb aus.
Verdattert öffnete Swift die Augen, starrte verwirrt und benommen in die Richtung, aus der das Gelächter gekommen war.
Im selben Moment ließ ihn das Aufbrüllen eines Motors zusammenfahren.
Er rannte los, jagte dorthin zurück, woher er gekommen war — und sah den weißen Thunderbird mit wahnsinniger Geschwindigkeit über den buckligen Sandweg rasen.
Eine mächtige Staubfahne wirbelte hinter dem Wagen hoch.
Am Steuer des Fahrzeuges saß — niemand!
***
»Wenn Sie gestatten — Dave Donovan! Sittenpolizei! Ich jage mich selbst, weil ich rein zufällig auch Sittenstrolch vom Dienst bin«, sagte der Privatdetektiv und hielt Alice Flack seine Detektivlizenz so lange unter die Augen, bis sie scheu nickte.
Donovan stand an der Tür ihres Hauses. Sie hatte soeben auf sein mehrmaliges Läuten geöffnet.
Nun blickte sie ihn mit großen, traurigen Augen an.
Sie war zweiundzwanzig, trug ein dunkles Wollkleid und dicke Filzpantoffeln.
Ihre Figur war gertenschlank. Sie war nicht übermäßig groß, der Tod ihres Vaters, die Ereignisse der letzten Tage und Wochen hatten sie scheinbar kleiner gemacht.
Schmerz lag in ihrem hübschen Gesicht. Sie hatte viel mitgemacht, hatte all
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