004 - Kerry kauft London
Sprüche gefaßt, die als Richtschnur für ihre Tätigkeit dienen sollten.
»Diese drei Worte«, fuhr er in demselben Ton fort, »dürfen, solange ich lebe, nie zu irgendeinem Menschen gesprochen werden, dürfen nur mir gegenüber wiederholt werden.«
Eise war außerstande, in eine noch größere Verwunderung zu geraten. Die letzten vierundzwanzig Stunden hatten, so schien es ihr, das denkbar Höchste an Überraschungen gebracht.
»Meinen Geschäftsfreunden, meinen Freunden oder meinen Feinden - und ganz besonders meinen Feinden gegenüber«, fuhr er mit flüchtigem Lächeln fort, »dürfen Sie die Worte nie gebrauchen - bis ich tot bin. Dann sollen Sie in Gegenwart der Herren, die dieser Gesellschaft angehören« - hier dämpfte er seine Stimme zum Flüstern - » › Kingsway needs Paving ‹ sagen.«
»Kingsway needs Paving«, wiederholte sie flüsternd.
»Was auch kommen möge, vergessen Sie diese Worte nicht«, sagte er ernst. »Wiederholen Sie sie, bis sie Ihnen so geläufig geworden sind wie Ihr eigener Name.«
Sie nickte wieder. Trotz ihrer Verwirrung war sie sich doch bewußt, daß von diesen sinnlosen Worten »Kingsway needs Paving« sehr viel abhing.
Kapitel 7
Zur selben Zeit, als Else in die Geheimnisse des Büros von King Kerry eingeweiht wurde, saßen zwei Herren in dem prunkvoll eingerichteten Speisezimmer Leetes in der Charles Street beim Frühstück.
Einer von ihnen war der furchtbare Leete selbst in einem Schlafrock von geblümter Seide, der andere - der jugendlich aussehende Hermann Zeberlieff. Er war achtunddreißig Jahre alt, hatte aber eines von den Gesichtern, auf denen Zeit und ausschweifendes Leben keine Spuren zurücklassen.
Leete und er waren Freunde. Sie hatten sich in Paris zu einer Zeit kennengelernt, als der Name des Millionärs Zeberlieff, des Mannes, der den gesamten Weizen aufgekauft hatte, in jeder Zeitung stand. Die beiden Männer unterhielten sich gerade über Geldangelegenheiten, und das war ein Thema, in dem beide vollständig aufgingen.
»Sie sind selbst ziemlich reich, nicht wahr?« fragte Zeberlieff.
»Es geht«, gab Leete trocken zu.
»Millionär?« Leete nickte nur.
»Warum, zum Teufel, haben Sie dann Ihr Geschäft an King Kerry verkauft?« fragte Zeberlieff erstaunt. Leete verzog sein Gesicht zu einem Grinsen. »Nebenan war ein größeres Geschäft«, sagte er lustig. »Goulding hatte den doppelten Umsatz, wenn man alle unsere Kunden und Einnahmen in Betracht zieht. Er hat die beste Lage - an einer Ecke und dazu zwei Reihen Schaufenster. Das ist der Grund!«
»Aber warum hat King Kerry dann nicht Goulding gekauft?« Das Lächeln auf Leetes Gesicht wurde breiter. »Goulding verkauft nicht. King Kerry hat den Grund und Boden gekauft und ist demnach der Grundbesitzer; aber an Goulding kann er dennoch nicht heran, weil die Pacht noch achtzig Jahre läuft.«
Zeberlieff pfiff. »Das wird ihn ärgern«, sagte er befriedigt.
»Tack & Brighten geht tatsächlich langsam kaputt«, fuhr Leete offenherzig fort. »Wenn er nicht Goulding aufkaufen kann, ist sein Geld so gut wie verloren. Goulding wird verkaufen - aber zu einem gewissen Preis.« Und dabei zwinkerte er. »Haben Sie übrigens gehört, daß man auf offener Straße ein Attentat auf ihn verübt, auf ihn geschossen hat? Und daß der Mensch, der ihn erschießen wollte, tot ist?«
Zeberlieff zog die Augenbrauen in die Höhe. »Was Sie nicht sagen!«
Leete nickte.
»Er war anscheinend sinnlos betrunken, als er auf die Wache kam. Einer seiner Spießgesellen schickte ihm eine Kanne Kaffee; die Polizei gestattete, daß sie ihm gebracht wurde - glaubte wohl, das würde ihn nüchtern machen.«
»Und wurde er es?« fragte Zeberlieff, ohne besonderes Interesse zu verraten.
»Der Kaffee brachte ihn um - es war Blausäure drin. Mein Arzt« - er machte eine kleine Pause und ließ dann die Stimme ein wenig anschwellen -, »mein Arzt, Sir John Burcheston, ging gerade vorüber und wurde hineingerufen. Er hat mir alles erzählt.«
»Merkwürdig!« warf Zeberlieff, offensichtlich gelangweilt, ein. »Wie konnte das nur passieren?«
»Keine Ahnung - man hat den Jungen, der den Kaffee gebracht hat, ausfindig gemacht; der hat ausgesagt, ein Fremder habe ihn geschickt, und der ist natürlich nicht zu finden.«
»Hört sich ja recht schauerlich an«, erwiderte Zeberlieff kühl.
»Dachte, es würde Sie interessieren.«
»Ihr Geschäft mit Kerry interessiert mich entschieden mehr. Wußte er nicht, daß Goulding nicht verkaufen
Weitere Kostenlose Bücher