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004 - Kerry kauft London

004 - Kerry kauft London

Titel: 004 - Kerry kauft London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Tasche. Zärtlich fuhr sie mit der Hand über ihre kleine Schwedentasche, und das Knistern von Papier zauberte ein glückliches Lächeln auf ihre Lippen. Das Täschchen enthielt ihren kostbarsten Besitz - einen Kontrakt. Einen Kontrakt, der in dem schönsten Juristenenglisch abgefaßt und auf einem steifen Bogen mit der Maschine geschrieben war. Ein zierliches »L« und eine Anschrift kennzeichneten den Bogen als Geschäftspapier des großen Trusts. In diesem Kontrakt verpflichtete sich Else, »nachstehend die Arbeitnehmerin genannt, einerseits«, während eines Zeitraums von fünf Jahren dem Präsidenten des Londoner Landtrusts, »nachstehend die Arbeitgeber genannt, andererseits«, für ein Entgelt von fünfhundertzwanzig Pfund im Jahr, zahlbar wöchentlich, Dienste zu leisten.
    Jetzt, glaubte sie, würde sie aus ihrem Traum erwachen und sich in die rauhe Wirklichkeit eines Lebens zwischen den Backsteinen und dem Mörtel häßlicher Häuser zurückversetzt sehen, in das ermüdende, unbefriedigende Einerlei von Tagen, die auf einem hohen Drehstuhl verbracht wurden. Ihr Herz schlug zwar freudig, wenn sie an all die Aussichten dachte, die die Zukunft für sie barg, an all die wundervollen Möglichkeiten, die ihr der auf so wunderbare Weise zugefallene Reichtum eröffnete; aber bei dem Gedanken, daß sie nun die Smith Street verlassen sollte, fühlte sie doch etwas wie einen stechenden Schmerz. Gewiß, das Bett war klobig, das Frühstück ein fach: dick geschnittenes Brot und Butter auf dicken Tellern und dicker Kaffee in Frau Gritters »schallsicheren« Tassen, wie Else sie getauft hatte; aber das Zimmer mit seinen kleinen Bücherbrettern, den Vertiefungen in der Fensterverkleidung und der peinlichen Sauberkeit atmete doch tiefes Glück. Es war ihr Heim, das einzige Heim, das sie bisher gekannt hatte, das ihr gehörte, in dem sie als Herrin schalten und walten konnte.
    Frau Gritters Tochter war allerdings eine Plage. Henriette war ein schlampiges Ding von vierundzwanzig Jahren, geheimnisvoll verheiratet und ebenso geheimnisvoll verlassen - Frau Gritter tat freilich nur so geheimnisvoll, denn die ganze Nachbarschaft kannte die Geschichte … Jetzt war sie eine chronische Säuferin, und die Bewohner des Hauses Smith Street 107 sahen sie nie anders als in einem Zustand völliger Trunkenheit. Frau Gritter pflegte zu sagen, daß sie ihrer Tochter diese Schwäche nicht übelnehme, aber die Rücksichtslosigkeit, mit der Henriette sie zur Schau stelle, strengstens verurteile.
    Aber Else hatte dennoch angenehme Beziehungen angeknüpft; sie hatte sich mit Leuten angefreundet, die schwer arbeiteten und schlecht und recht von einem Lohn lebten, der kaum genügt hätte, ihren Lunch im Savoy zu bezahlen. Als sie den Schlüssel ins Schloß stecken wollte, wurde die Tür geöffnet, und ein junger Mann stand im Flur.
    »Hallo, Fräulein Marion!« rief er. »Sie kommen ja heute abend sehr früh nach Hause!«
    Gordon Bray bewohnte das Vorderzimmer des zweiten Stocks. Er war anders geartet als die Männer, die Else bisher kennengelernt hatte: der prächtige Typ eines Autodidakten, der die Mängel einer dürftigen Erziehung und Schulbildung erfolgreich überwunden hatte. Er hatte schon mit zwölf Jahren die Schule verlassen müssen, weil der Tod des Vaters ihn zur alleinigen Stütze der Mutter machte. Nacheinander Laufjunge,- Lehrling, Ladenbursche, Handlungsgehilfe - war er immer eine Stufe höher gestiegen, bis der Tod der Mutter ihn vor die Frage stellte, was jetzt aus ihm werden solle. So schmerzlich ihr Tod für ihn auch gewesen war, er hatte ihm doch mehr Möglichkeiten eröffnet, vorwärtszukommen. Von seinem kleinen Einkommen, das für sie beide hatte ausreichen müssen, blieb ihm jetzt etwas übrig, und so hatte er sich neuen Studien zugewandt.
    Das junge Mädchen sah ihn freundlich an. Sie war in diesen hübschen jungen Mann nicht verliebt und er ebensowenig in sie. Es war eher Seelenverwandtschaft als Liebe, was sie verband. Sie waren Kampfgenossen in dem schweren Lebenskampf, hatten gemeinsame Feinde, hatten ähnliche Gedanken.
    »Ich gehe ins Leihhaus«, sagte er und schwenkte dabei ohne irgendwelche Scham einen Pack Bücher. »Ich habe die Arbeit bei Holdron satt - sie haben heute mein Gehalt um einen Shilling die Woche erhöht und erwarten, ich würde vor Dankbarkeit in die Knie sinken.«
    Sie wollte ihm die große Neuigkeit mitteilen, aber die Angst, dadurch auch nur ein Fünkchen Neid in seiner Seele zu entflammen, hielt

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