004 - Magie der Liebe
blickten aus einer unglaublichen Höhe auf die Stadt hinab. Arian beging den Fehler, noch weiter nach unten zu sehen, wo sich unzählige kleine Lichter die breiten Straßen entlangbewegten. Ihr wurde schwindlig, und zum ersten Mal wurde ihr bewusst, wie weit sie sich von ihrem Zuhause entfernt hatte. Da sie befürchtete, vor diesem mysteriösen Fremden in Ohnmacht zu fallen, tastete sie die Scheibe nach einer Art Griff ab, um etwas frische Luft hereinzulassen.
Sie schwankte, doch bevor sie stürzen konnte, umfassten seine Hände ihre Schultern und stützten sie. Die Wärme war selbst durch den dicken Stoff ihrer Ärmel zu spüren.
„Die Fenster sind hermetisch versiegelt", sagte er sanft. „ Sie lassen sich nicht öffnen."
Arian nahm sein unausgesprochenes Angebot an, sich an ihn zu lehnen. Dennoch fragte sie sich, welcher Mann so töricht sein konnte, eine ganze Wand aus Fenstern zu haben und doch all die wundervollen Dinge auszusperren, die von dort draußen hereinkamen - eine warme Sommerbrise, den fröhlichen Gesang einer Drossel, den unverkennbaren Duft des Meeres. Seltsamerweise verspürte sie plötzlich Mitleid mit ihm.
Die ungewohnte Vertrautheit mit diesem Fremden verstärkte die Fremdartigkeit dieser Landschaft noch mehr. Arian fühlte sich mit einem Mal unendlich einsam.
Jeder, den sie jemals gekannt hatte, war bereits seit Jahrhunderten tot - Marcus, Charity Burke, selbst der ruchlose Reverend Lin-net. Sie hätte es für unmöglich gehalten, dass sie sich jemals nach Gloucester zurücksehnen könnte. Doch die unfreundliche Gesellschaft der Dorfbewohner schien immer noch besser als eine Zeit, die ihr völlig fremd war.
Dennoch blieb ihr keine Wahl. Sie musste herausfinden, welcher Fehler in ihrem Zauberspruch dafür gesorgt hatte, dass sie versehentlich an diesen Ort geraten war.
Im Augenblick würde sie ihre Ängste vergessen müssen und einfach das tun, was sie ihr Leben lang getan hatte - vorgeben, an einen Ort zu gehören, der trotzdem niemals ihr Zuhause sein würde.
Sie hob den Kopf und entdeckte, dass ihr Gastgeber nicht die schöne Aussicht, sondern ihr Spiegelbild im Fenster betrachtete. Ihre Blicke trafen sich im Glas, und für einen flüchtigen Moment dachte sie, dass er noch viel einsamer war als sie selbst. Sie hatte es im Ausdruck seiner grauen Augen gesehen. Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, schweifte sein Blick zu ihrem Amulett.
„Was tragen Sie da?" fragte er, während er sie zu sich umdrehte. „Ein Kruzifix, um Vampire und gewissenlose Geschäftsleute wie mich abzuwehren?"
„Ach, es ist gar nichts", murmelte sie und steckte es zurück in ihr Mieder. „Nur ein wertloses Schmuckstück."
Zu spät wurde ihr bewusst, dass sie ihn mit ihrer unbedachten Geste geradezu herausgefordert hatte. Sie versteifte sich und wartete darauf, dass er mit seiner gierigen Hand zwischen ihre Brüste griff, so wie Linnet es getan hatte. Doch seine warmen Finger streiften nur leicht ihr Schlüsselbein, als er behutsam an der Kette zog.
Er hielt das Amulett hoch, um es näher zu untersuchen. „Ein wunderschönes Stück.
Ist es antik?"
„Nun . . . das könnte man so sagen."
„Die Fassung ist recht ungewöhnlich. Woher haben Sie es?"
Die beiläufige Frage konnte Arian nicht täuschen. „Ich habe es nicht gestohlen, falls Ihr das andeuten wollt, Sir. Es war ein Geschenk meiner Mutter." Sie senkte den Blick, damit er nicht ihre wahren Empfindungen über das Amulett bemerkte.
Der Smaragd glitzerte verführerisch. „Sie war offenbar eine Frau mit ausgezeichnetem Geschmack", bemerkte Tristan.
„Außer wenn es um die Wahl ihrer Männer ging", sagte Arian bitter. Unbewusst betrachtete sie Lennox' hoch gewachsene Gestalt. Er trug eine elegante Hose und eine enge Weste aus feinstem Stoff, dazu ein braunes Hemd, das am Kragen aufgeknöpft war. Sie starrte auf die gebräunte Haut seiner Brust. Niemals hatte sie einen Mann nackt gesehen.
Das Amulett drehte sich vor Tristans Gesicht, als ob es zu ihm gehörte. Arian wurde von plötzlicher Furcht ergriffen. Sicher wünschte er sich insgeheim, ihr niemals begegnet zu sein. Was, wenn sich sein Wunsch durch das Amulett erfüllte? Würde sie im nächsten Moment wieder in den Teich fallen und ertrinken? Oder würde sie womöglich einfach aufhören zu existieren?
Eilig nahm sie ihm das Amulett aus der Hand. Im gleichen Moment wurde ihr bewusst, wie töricht ihr Verhalten war. Lennox war nur ein gewöhnlicher Sterblicher, sie dagegen eine
Weitere Kostenlose Bücher