0040 - Die Ameisen greifen an
es laut genug gerufen, als sie auf ihr Zimmer gebracht wurde.«
Roger drückte sich an dem Zimmermädchen vorbei. »Ist Colette in ihrem Zimmer?«
»Bestimmt. Ihr Dienst fängt ja erst gleich an.«
Roger ging bis zum Ende des Flurs. Hinter der letzten Tür auf der rechten Seite lag Colettes Zimmer.
Roger klopfte an.
»Wer ist da?«
»Ich bin’s Roger. Mach auf, Colette.«
Ein überraschter Ausruf war die Antwort. Colette wunderte sich, denn sie vermutete ihren Freund oben auf der Hütte. Sie zog die Tür einen Spalt auf, und Roger schlüpfte in den spärlich möblierten Raum.
Colette trug nur einen BH und dazu den winzigen Slip. Beides aus schwarzer Spitze. Normalerweise hätte Roger jetzt etwas anderes zu tun gehabt, als mit seiner Freundin nur zu reden, doch nach Lage der Dinge sagte er nur: »Pack deine Koffer. Sofort.«
Colette setzte sich erst einmal. »Bist du verrückt?«
»Nein, ich war noch nie so klar wie in diesem Augenblick.«
»Aber warum soll ich dann meine Sachen packen?«
»Weil ich es will.«
»Du spinnst.«
Mit zwei Schritten war Roger bei ihr und faßte sie an beiden Schultern. Er schüttelte sie durch. »Du mußt packen, Colette. Glaub mir. Wir müssen hier weg.«
Sie schüttelte den Kopf. »Laß mich los, du Scheusal. Du tust mir weh, zum Teufel.«
»Ja!« rief Roger, »bald wird der Teufel los sein, wenn du nicht hörst.« Er warf ihr ein paar Kleider zu, die er aus dem offenstehenden Schrank holte. »Pack alles in einen Koffer. Wir müssen fliehen.«
»Aber warum?«
Roger Calf atmete tief ein. Er entschloß sich, Colette einen Teil der Wahrheit zu sagen. »Peter Egli ist tot.«
»Nein!« Colette schrie auf und preßte ihren rechten Handballen gegen die Lippen. »Das… das stimmt nicht.«
»Doch.«
»Aber wie ist das geschehen?« Colette weinte plötzlich. Sie hatte Peter Egli gut gekannt. »War es ein Unfall?«
»So ähnlich. Und wenn wir uns nicht beeilen, dann geschieht mit uns das gleiche. Wir sind unseres Lebens nicht mehr sicher, Colette. Begreif das endlich.«
»Ja, ja. Aber ich…«
»Kein Aber, pack jetzt!«
Colette atmete tief durch. Sie schaute ihren Freund dabei an. »Roger, ich kann doch nicht so ohne weiteres von hier fortlaufen. Ich muß wenigstens Bescheid geben, daß ich weggehe.«
»Nichts wirst du.« Roger Calf war schon dabei, einen Koffer vom Schrank zu holen. »Wir verschwinden.«
»Dann sag mir den Grund!« verlangte Colette.
Roger stützte seine flache Hand auf den Tisch. »Es geht um Leben und Tod, Colette. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Und du mußt mir glauben, das verlange ich von dir. Alles andere ist unwichtig, Colette. Laß uns verschwinden!«
»Peter ist also tot.«
»Das habe ich schon gesagt.«
»Und wie ist er ums Leben gekommen?«
»Er… er ist verunglückt.«
»Deshalb machst du mir eine Szene. Redest hier von Leben und Tod.«
Roger Calf verdrehte die Augen. Colette hatte einen Dickkopf. Und ihm blieb nichts anderes übrig, als ihr die Wahrheit zu sagen. »Okay, Colette, dann hör zu. Was ich dir jetzt sage, bleibt unter uns. Zu keinem Menschen ein Wort, verstanden?«
Colette nickte.
»Also: Peter Egli ist verunglückt, das habe ich gesagt.« Colette wollte etwas einwerfen, doch Roger winkte ab. »Laß mich weiterreden. Man kann es als Unglück bezeichnen. Andere würden es Mord nennen.«
Colettes Augen wurden, groß, und ihre vollen Lippen begannen zu zittern.
Der junge Mann sprach weiter. »Ich habe Peter oben in der Hütte gefunden. Frag mich nicht danach, wie er aussah. Ich kann nur eins betonen: schrecklich! Ich dachte erst an einen Mörder, aber dann fiel mir ein, daß Tiere…«
»Bitte, rede nicht weiter!« flüsterte Colette erstickt. Eine Gänsehaut rann über ihren Körper.
Roger Calf legte schützend einen Arm um ihre Schulter. »Ich hatte mich noch nicht von meinem Schreck, erholt und wollte schon ins Tal fahren, als ich sie sah.«
»Die Mörder?«
»Ja, die Mörder. Und es waren – Ameisen!«
Colette starrte ihren Freund an. Sie sagte nichts. Aber in ihren Augen spiegelte sich furchtbare Angst. »Carla, sie hat…«
Roger nickte. »Richtig. Sie hat nicht gelogen. Auch ich habe die Ameisen gesehen. Sie waren groß wie Menschen. Grausame Geschöpfe. Sie wollten mich töten. Es kam zu einem Kampf. Vielmehr, ich versuchte zu fliehen, aber frage mich nicht, wie ich es geschafft habe. Die nackte Panik hat mich vorangepeitscht. Jetzt bin ich hier, Colette. Und ich will weg. Mit dir. Kannst du das nicht
Weitere Kostenlose Bücher