0040 - Die Ameisen greifen an
verraten. Von Beruf bin ich Polizeibeamter. Ich arbeite für Scotland Yard und bin schon allein durch meinen Diensteid dazu verpflichtet, Stillschweigen zu bewahren.«
Er hob die Schultern. »Eigentlich ist es Unsinn, aber da Sie selbst sagen, daß man alle Möglichkeiten ausschöpfen soll, so denke ich da an den alten Santini.«
»Den Spinner?« rief das Mädchen.
»Wer ist Santini?« hakte ich nach.
»Ein komischer Kauz. Er hat früher unten im Ort gewohnt. Bei den Einheimischen galt er als verschroben. Er hat immer wieder von bösen Geistern und Dämonen geredet und behauptete, daß sie eines Tages zuschlagen würden, und daß man sich mit ihnen in Verbindung setzen könnte. Man müßte nur die richtigen Mittel und Wege kennen.«
»Hat Santini es geschafft?« forschte ich.
»Keine Ahnung. Ich weiß nur, daß er den anderen auf den Wecker fiel und sie ihn aus dem Dorf gejagt haben. Er hat sich dann in eine alte Berghütte verkrochen, diese ausgebaut und zu einer kleinen Wohnung gestaltet. Ich war einmal bei ihm.«
»Glauben Sie, daß Santini für diese Plage verantwortlich ist?« fragte ich.
»Vorstellen kann ich es mir«, gab der junge Mann zurück. »Schließlich haben sie ihn aus dem Dorf geworfen. Die Einheimischen haben ihm übel mitgespielt. Er hat sie auch verflucht. Auch als ich oben bei ihm war, hatte er fast nur von seiner Rache gesprochen.«
Ich schaute Suko an. »Wir sollten dieser Spur einmal nachgehen«, schlug ich vor.
»Nichts dagegen«, erwiderte mein Freund.
Ich wandte mich an Roger Calf. »Ist es von hier aus weit bis zu der Hütte?«
»Ja, ziemlich.«
»Trotzdem muß ich es versuchen.«
Suko war dagegen. »Denk an die Wanderung, John. Wir sollten beide in der Nähe bleiben.«
Da hatte mein Freund auch wieder recht.
Roger Calf bot sich an, allein zur Hütte hochzufahren. »Ich werde mit ihm reden«, sagte er. »Er kennt mich und hat zu mir etwas Vertrauen gefaßt.«
»Und es macht Ihnen nichts aus?« fragte ich.
»Nein. Sollte ich unterwegs den Ameisen begegnen, so bin ich auf Skiern immer schneller als sie.«
»Das will ich hoffen«, flüsterte Colette.
***
Ein Campingplatz im Sommer sieht natürlich anders aus als der gleiche im Winter.
Wo bei Sonnenschein Jubel und Trubel herrscht, ist es im Winter still. Nur die Rauchfahnen aus den kleinen Schornsteinen zeigten an, daß die Wohnwagen bewohnt waren. Am Eingang des Platzes stand ein Weihnachtsbaum. Der Schnee, der auf der schmalen Straße lag, war zu einer Decke festgefahren worden. Die Camper hatten ihre einzelnen Parzellen erst freischaufeln müssen. Hohe Schneewälle bildeten jetzt die Grenzen.
Zum Norden und Westen hin bot der Wald dem Campingplatz etwas Schutz. Wer jetzt noch campte, war wirklich ein Enthusiast und Supercamper. Oder jemand, der die hohen Preise in den Hotels nicht bezahlen konnte und trotzdem die Landschaft genießen wollte.
Acht Wagen standen auf dem Platz. Hätten sie nicht dicht beieinandergestanden, wären sie kaum aufgefallen. Der Mann, der für diesen Platz verantwortlich war, hieß Willi Spengler.
Und er war sauer.
Nur weil acht miese Wohnwagen auf dem Platz standen, mußte auch er in seiner Bude sitzenbleiben und die Aufsicht halten. Am liebsten hätte er alles zu Kleinholz gehackt, so sehr war er in Stimmung.
Aber Dienst ist Dienst.
Seine Frau hatte ihm selbstgebrannten Schnaps mitgegeben. Das Zeug war ein regelrechter Rachenputzer, aber es wärmte. Bei jedem Schluck hatte Willi Spengler das Gefühl, seine Zehennägel würden wachsen.
Der Raum, in dem er saß, war nur halb so groß wie das Büro. Dementsprechend klein war auch das Fenster. Wenn er durch die Scheibe schaute, konnte er einen Teil des Weges überblicken, der vom Dorf her zum Platz führte.
Camper würden jetzt nicht mehr kommen. Die letzten waren am Morgen eingetrudelt.
Willi Spengler nahm wieder einen Schluck aus der Flasche. Er hatte sie schon zur Hälfte geleert und spürte bereits die Wirkung. Aber das war ihm egal! Falls er um Mitternacht betrunken war, sollten ihn die anderen mal im Mondschein besuchen.
Wenn er den Kopf etwas nach links drehte, sah er die Wohnwagen. Sie standen in Reih und Glied dicht nebeneinander. Einer hatte sogar sein Vorzelt aufgebaut. Der Knabe würde sich wer weiß was abfrieren.
Und genau aus diesem Vorzelt trat ein Mann. Dick vermummt und die Hände in den Taschen vergraben, schritt er quer über den Platz, erreichte den Lichtschein einer Bogenlampe und steuerte direkt auf das Haus des
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