0040 - Die Ameisen greifen an
Direktor des Hotels. Sie haben uns schon sehr geholfen, Herr…«
»Sinclair. John Sinclair.«
»Engländer?«
»Ja.«
»Dafür sprechen Sie sehr gut deutsch. Ohne Sie wäre Carla vielleicht verloren gewesen. Wenn Sie mir unter Umständen einen Gefallen tun könnten…«
Ich winkte lächelnd ab. »Keine Angst, Herr Krämer, ich werde nichts verlauten lassen. Was geschehen ist, bleibt unter uns. Und ich hoffe, daß Ihre Angestellten auch dichthalten.«
»Dafür werde ich sorgen.«
Ich drückte nur die Daumen, daß Carla sich nicht verplapperte. Dann war eine Panik nicht auszuschließen.
Ich streckte dem Mädchen meinen Arm entgegen und half ihm hoch. Carla war ein zartes blondhaariges Geschöpf mit einem schmalen Gesicht und verweinten Augen. Sie schaute mich an, und ein Schatten flog über ihr Antlitz.
»Die… die Ameise«, flüsterte sie. »Wo – wo ist sie…?«
Ich biß mir auf die Lippen.
»Was sagt sie?« fragte Herr Krämer.
Ich legte meine Hand auf Carlas Schulter. »Nichts. Der Schock, wissen Sie…«
Doch Carla redete weiter. »Sie war so groß. Wie ein Mensch.«
Herr Krämer wurde doch aufmerksam. »Wer war so groß wie ein Mensch?«
»Die – die Ameise.«
Der stellvertretende Hotelmanager begann zu lachen. »Jetzt fantasieren Sie aber, meine Liebe. Es gibt keine menschengroßen Ameisen.« Er schaute mich an. »Das wird wohl der Schock sein.«
»Natürlich.«
»Dann können wir jetzt gehen«, sagte Krämer. »Das Haus wird es irgendwie wieder gutmachen, Mister… äh… Herr Sinclair.«
»Keine Ursache.«
Herr Krämer öffnete die Tür und ging mit Carla nach draußen. Ich folgte langsamer. Meine Blicke schweiften über den Hof, doch nirgendwo konnte ich die Ameise sehen. Außerdem reichte die Beleuchtung nicht aus, um irgendwelche Spuren zu entdecken.
Ich ging um das Hotel herum, um an den Vordereingang zu gelangen. Halogenlampen warfen ihren gleißenden Lichtschein auf die Fläche vor dem Hotel. Sie rissen auch den Schnee aus der Dunkelheit.
Hier suchte ich ebenfalls nach Spuren, entdeckte jedoch keine.
Ich erschrak bis ins Mark, als mir jemand auf die Schulter klopfte. Hastig drehte ich mich um.
Suko stand vor mir. »Wo treibst du dich denn herum?« war seine erste Frage. Dann schaute er mich richtig an, sah mein Gesicht und fragte sofort: »Ist etwas passiert?«
»Ja.«
»Und?«
Mir war kalt. »Laß uns drinnen weiterreden.«
»Okay. Sheila und Bill warten bereits im Speiseraum.«
»Sie können ruhig alles wissen.«
Seite an Seite betraten wir das Hotel. Die Wärme tat gut, denn die kurze Zeit draußen hatte bereits ausgereicht, um meine Hände eiskalt werden zu lassen.
Der stellvertretende Direktor stand an der Rezeption. Als er mich sah, nickte er mir beruhigend zu. Suko war diese Geste nicht entgangen.
»Du kennst ihn?«
»Ja. Es hängt mit dem zusammen, was ich erlebt habe.« Ich legte meinem chinesischen Partner die Hand auf die Schulter und dirigierte ihn nach rechts auf die Tür des Speisesaals zu.
Ein Page zog sie dienstbeflissen auf.
Wir betraten den Raum. Ober wieselten mit gefüllten Tabletts umher. Weiße Decken lagen auf den Tischen. Blumengestecke dienten als Dekoration. Jeweils vier Tische waren zu einer kleinen Gruppe zusammengefaßt. Als »Grenzen« dienten Blumenbänke. An der Decke hing ein Kristalleuchter. Wandlampen spendeten zusätzlich Licht. Ich kam mir in meinem schmutzigen Anzug ziemlich deplaziert vor, war aber bisher noch nicht aufgefallen.
Suko deutete mit der Hand nach vorn. »Dahinten sitzen wir. Direkt am Fenster.«
Wir steuerten den Tisch an. Sheila warf mir einen bitterbösen Blick zu.
Bills Blick war eher fragend.
Sheila merkte auch, daß ich meinen Anzug beschmutzt hatte. »Was hast du denn gemacht?«
Wir nahmen Platz.
Ich schaute auf die Menükarte und bestellte als Vorspeise Forellenfilet. Sheila und Bill hatten diese Mahlzeit schon hinter sich. Ich schaute auf die blondhaarige Sheila, die in ihrem weitfallenden beigen Kleid fantastisch aussah. »Ich habe mich nicht ohne Grund verspätet«, entschuldigte ich mich. »Es ist etwas passiert.«
Mein Filet kam. Während ich aß, erzählte ich mit leiser Stimme, was mir widerfahren war.
Bills Gesicht nahm einen ungläubigen Ausdruck an. Sheila wurde blaß.
Nur Suko blieb gelassen. Sein Blick glitt aus dem Fenster. Er aß keine Vorspeise.
»Das ist doch nicht möglich«, flüsterte Sheila, als ich mit meiner Erzählung am Ende war.
»Doch.«
Bill tupfte sich mit einer
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