0040 - Die Ameisen greifen an
Serviette die Lippen ab. »Wenn John das sagt, glaube ich es.« Er räusperte sich. »Und du hast nicht gesehen, wo diese Ameise hingelaufen ist?«
»Nein.«
»Sie hält sich demnach in der näheren Umgebung versteckt«, mischte sich Suko in das Gespräch.
»Möglich.«
Sheila ballte die Hände zu Fäusten. »Dann… dann müssen wir damit rechnen, daß die Ameise das Hotel angreift.«
»Und sogar noch mehr«, sagte Bill. »Vielleicht ist sie nicht allein. Wer will denn wissen, ob es nicht zwei, drei oder fünf dieser Exemplare gibt.«
Ich gab meinem Freund recht.
»Hoffentlich läßt sich die Sache geheimhalten«, sagte Suko leise. »Wenn dieses Mädchen redet…«
»Keiner wird ihr glauben.« Bill schüttelte den Kopf.
»Es sei denn, die Ameise taucht woanders auf und wird gesehen«, warf ich ein.
Sheila fing den Ball auf. »Zum Beispiel in Grindelwald.«
Wir schauten uns an und wußten, der Urlaub war im Eimer.
***
In rasender Schußfahrt jagte Roger Calf dem Grand Hotel Alpina entgegen. Zu beiden Seiten wirbelte der Schnee hoch. Er fuhr eine Strecke, die er noch nie benutzt hatte.
Es war die kürzeste, aber auch gefährlichste.
Eisbuckel konnten zu tödlichen Fallen werden. Gletscherspalten lauerten, oft nur abgedeckt durch eine dünne Schicht aus Pulverschnee. Aber Roger nahm jedes Risiko auf sich.
Seine Gedanken wirbelten. Er wußte nicht genau, wie er vorgehen wollte, aber er mußte die anderen Menschen warnen.
Hoffentlich glaubten sie ihm.
Doch das war die große Frage.
In einer rasanten Slalomfahrt änderte der junge Mann die Richtung. Er mußte einem gefährlichen Eisfeld ausweichen, schaffte es auch, rauschte mit hoher Geschwindigkeit schräg einen Höhenrücken entlang und sah dann die Lichter des Hotels in der Dunkelheit schimmern.
Weit unten im Tal lag Grindelwald. Dort bereitete man sich auf die Silvesterfeier vor, und kein Gast ahnte, welch eine Gefahr im Dunkel der Nacht lauerte.
Ein paarmal hatte Roger Calf mit dem Gedanken gespielt, die Polizei zu verständigen, doch jedesmal entschied er sich anders. Die Polizisten würden ihm nicht glauben. Im Gegenteil, sie würden ihn auslachen. Er hatte sich einen Plan zurechtgelegt, wollte Colette sprechen und sie davon überzeugen, daß es besser war, wenn sie gemeinsam die Flucht ergriffen. Colette sollte ihre Sachen packen und dann nichts wie weg. Er konnte die Polizei auch von außerhalb verständigen.
Hoffentlich glaubte Colette ihm. Sonst mußte er eben zu anderen Mitteln greifen. Auf jeden Fall wollte er Colette mitnehmen und sie nicht im Hotel einer Gefahr aussetzen.
Roger Calf fuhr schräg über die Piste, die direkt zur Hinterseite des Hotels führte. Der Schnee war dort glatt und an einigen Stellen verharscht. Mit hoher Geschwindigkeit rauschte Roger seinem Ziel entgegen und führt direkt in den Hinterhof hinein. Dort stoppte er seinen rasanten Abfahrtslauf.
Colette wohnte in dem Anbau. Hastig schnallte der junge Mann seine Skier ab. Er drückte sich durch die schmale Tür und betrat den mit Linoleum auslegten Korridor, von dem rechts und links die Zimmer für das Personal abzweigten. Das Licht der herabhängenden Kugellampen spiegelte sich auf dem Boden.
Ein Zimmermädchen kam Roger entgegen. Sie kannten sich. Das Mädchen blieb stehen, als sie den jungen Mann sah.
»Hast du schon gehört?«
Etwas an ihrem Gesicht veranlaßte Roger stehenzubleiben. Er hatte plötzlich ein unruhiges Gefühl. »Was ist los?«
»Carla ist überfallen worden.«
Roger runzelte die Stirn. »Carla?«
»Ja, die kleine Blonde, die erst ein paar Wochen bei uns ist. Eine stille Person.«
Roger Calf schlug sich gegen die Stirn. »Natürlich, jetzt erinnere ich mich. Wer hat sie überfallen? Und wo?«
»Im Vorratslager. Muß irgend so ein scharfer Kerl gewesen sein.« Das Zimmermädchen verzog den Mund. »Wahrscheinlich einer von den Gästen. Du schaust ja nie jemand hinter die Stirn.«
»Und? Was hat Carla getan? Hat sie den Kerl erkannt? Ist ihr was passiert?«
»Nein, ein Fremder ist hinzugekommen und hat sie gerettet. Der hat sogar mit dem Typ gekämpft. Der andere ist aber entkommen. Weißt du, was Carla gesagt hat? Eine Ameise hätte sie überfallen. Ich glaube, die spinnt. Stell dir mal vor, eine Ameise. Riesengroß soll sie gewesen sein.«
Roger Calf wankte zurück.
»Was ist mit dir?«
Calf wischte sich über die Stirn. »Nichts, gar nichts.«
Das Zimmermädchen lachte unecht. »Eine Ameise. Die ist verrückt. Aber sie selbst hat
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