0040 - Die Ameisen greifen an
Conolly gekommen. Er hatte Suko und mich kurzerhand mit einer Einladung überrascht. Jane Collins sollte auch erst mitfahren, doch sie war beruflich verhindert. Ein dringender Fall erforderte ihre Anwesenheit.
Ich hatte nicht lange gezögert. Urlaub stand mir sowieso noch zu. Powell, mein Chef, hatte zwar knurrig aus der Wäsche geschaut, aber freundlich habe ich ihn bisher nur selten angesehen. Schnell hatte ich mich entschlossen, packte die Koffer, und ab ging es. Mit dem Jet bis Zürich und von dort weiter mit der Bahn.
Ich wollte endlich mal wieder Ski laufen. Während meiner Studentenzeit hatte ich das letzte Mal auf den Brettern gestanden. Soviel wie damals bin ich danach nie mehr gefahren.
Den kleinen Johnny hatten die Conollys bei Bekannten untergebracht. Das Ehepaar freute sich diebisch auf das Kind. Es war Sheilas und Bills erster gemeinsamer Urlaub nach der Geburt des Kindes.
Bezahlen brauchten Suko und ich nichts. Bill Conolly, mehrfacher Millionär, gab uns den Urlaub aus. Das Angebot nicht anzunehmen, wäre einer Todsünde gleichgekommen. Dafür kannte ich Bill gut genug. Im Zug hatte er mir ein paarmal zugeflüstert, daß er sich wie ein Kind auf den Urlaub freue. Sieben Tage wollten wir ausspannen, einfach mal nichts tun, uns der Müßigkeit hingeben und jeden Gedanken an Dämonen und böse Geister verbannen. Mein letzter Urlaub war in der Hinsicht ein Reinfall gewesen. An den Fall mit der Hexe von Java denke ich nur sehr ungern zurück.
Aber diesmal sollte alles anders werden.
Jane Collins kuschelte sich enger in den mit Pelz besetzten Wildledermantel. Bill trampelte mit den Füßen, und Suko machte einen langen Hals.
»Suchst du was?« fragte ich ihn.
»Wo ist denn hier der Gepäckträger?«
Ich grinste. »Wir haben dich doch.«
»Spaßvögel, Kinder und Geisteskranke alle Bahnsteig zehn«, sagte Suko. »Da kommt gleich ein großer schwarzer Wagen mit Gittern vor den Fenstern und holt die Leute ab.«
Ich konterte. »Wenn du nicht ruhig bist, bekommst du zur Aufwärmung eine schottische Tomatensuppe.«
»Was ist das denn?« frage Bill, der sofort dabei war, wenn es ums Essen ging.
»Ganz einfach«, erklärte ich. »Man gießt heißes Wasser in einen roten Teller.«
Suko und Bill schauten mich an, als wollten sie mich erwürgen. Nur Sheila hielt zu mir. Sie wollte sich ausschütten vor Lachen. »Himmel, John, den kannte ich ja noch gar nicht.«
Ich wies über ihre Schulter. »Da ist ein Gepäckträger. Neben dem Knaben mit dem Schild.«
»Die wollten doch vom Hotel jemand schicken«, maulte Bill. »Der Service fängt ja gut an.«
Suko hatte ihn zuerst gesehen. »Auf dem Schild, das der Mann da trägt, steht Grand Hotel Alpina. Das müßte unser Schuppen sein.«
»Von wegen Schuppen«, knurrte Bill, nahm aber zwei Koffer. Da Suko sich ebenfalls zwei faßte, brauchte ich nur einen zu tragen.
»Wir wollen zum Grand Hotel Alpina«, sagte ich zu dem Schildträger.
Das steife Gesicht des Knaben entgleiste zu einem Lächeln. »Da sind Sie bei mir genau richtig, mein Herr. Gehören die Herrschaften auch zu Ihnen?« erkundigte er sich mit einem Blick auf meine Freunde.
»Ja.«
»Dann muß einer von Ihnen Mr. Conolly sein.« Der Mann sprach jetzt englisch.
Bill trat vor. »Ich.«
»Bitte folgen Sie mir, meine Herrschaften. Der Bus wartet direkt am Bahnhof.« Er schnippte einmal mit den Fingern seiner freien Hand, und unter dem Vordach des Bahnhofsgebäudes lösten sich zwei Pagen, die sofort unsere Koffer nahmen.
Suko trug seinen selbst. Er liebte es nicht, wenn man ihn bediente.
Wir gingen durch eine Unterführung, und als wir wieder ans Tageslicht kamen, sahen wir dicht vor uns den schmalen Wasserstreifen, der den Thuner und den Brienzer See miteinander verband. Auf dem Wasser schwammen einige Eisplatten, so kalt war es geworden. Aber bei uns auf den Inseln hatte es ebenso geschneit. Wir waren buchstäblich mit der letzten Maschine weggekommen.
Der blaue Bus mit der Aufschrift des Hotels stand neben einem Schneehaufen.
Der Himmel war strahlend blau. Ein fantastisches Wetter. Ich sprach es auch aus.
»Bis gestern hat es noch geschneit«, sagte der Fahrer. »Sie haben Glück und können sich auf eine wunderbare Schneewanderung freuen.«
Und ob wir uns freuten.
Das Gepäck wurde verladen. Bill gab ein Trinkgeld, und wir stiegen in den VW-Bus.
Die Schneeketten mahlten über die weiße Fläche. Wir fuhren ein Stück durch die City und nahmen das Flair eines Wintersportortes in uns
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