0040 - Die Ameisen greifen an
entgegen, die die Eiskristalle in seinem Bart sofort zum Schmelzen brachte. Rechts neben der Tür befand sich ein kleiner Raum, in dem Peter die Skier abstellte. Er zog auch die Handschuhe aus und legte den Anorak ab.
Händereibend betrat er den großen Hüttenraum.
Das Feuer brannte in einem alten gemauerten Ofen. Die Wände bestanden aus dicken Holzbohlen. Die Zwischenräume waren gut isoliert, so daß die Wärme im Raum blieb und sich nicht draußen verlor.
Vom Hüttendach hingen dicke Eiszapfen. Zentnerschwer lastete der Schnee auf der Hütte. Sie war mit der Rückseite an einen Hang gebaut worden und dadurch lawinensicher. Es gab mehrere Schlafstellen und eine lange, an der Wand entlanglaufende Bank. Darüber hingen Bilder. Sie zeigten Schneelandschaften oder Häuser aus der näheren Umgebung.
Peter Egli setzte sich an den Tisch. Bedächtig begann er seine alte Pfeife zu stopfen. Er sollte den Jahreswechsel in der Hütte verleben, und das kam nicht von ungefähr. Einige Hotels hatten Silvesterwanderungen organisiert. Die Gäste zogen dann mit Pechfackeln zwei Stunden durch die Einsamkeit der Bergwelt, um eine Stunde vor Mitternacht wieder daheim zu sein. Dann zog man sich um und feierte den Jahreswechsel.
Peter Egli erlebte nicht zum erstenmal solche Umzüge. Und er wußte auch, daß sich zahlreiche Wanderer mit hochprozentigen Aufwärmgetränken eingedeckt hatten. Manche taten dann des Guten zuviel, betranken sich und fielen einfach um.
Um diese Leute kümmerte sich dann Peter Egli mit seinem Freund Roger Calf. Roger stammte aus der Nähe von Crans-Montana, der Retortenstadt in der französischen Schweiz. Roger war ein Jahr jünger als Peter und ein richtiger Naturbursche.
Geschneit hatte es nicht mehr. Der Luftdruck stieg, die Sicht war klar wie selten. Ein Wetter, von dem die meisten Urlauber nur träumten.
Peter schaute auf seine Uhr.
Roger wollte erst gegen Abend kommen. Er war noch in Grindelwald und wollte anschließend Colette, seine Freundin, besuchen.
Colette arbeitete als Zimmermädchen und Bedienung im Grandhotel Alpina, das oberhalb des Ortes lag und in der Luftlinie gar nicht mal so weit von der Hütte entfernt war.
Das Hotel zählte wohl zu den besten in der Umgebung. Für die Silvesterfeier war es schon immer im Sommer ausgebucht. Es machte aber auch Spaß, in diesem Hotel zu feiern. Zusätzlich zu der prächtigen Landschaft bot es noch allen Komfort. Die Preise waren natürlich dementsprechend.
Etwas machte Peter Egli Sorge. Und das war der Zeltplatz. Die Camper wurden immer verrückter. Jedenfalls war das seine Meinung. Sie fuhren mit ihren Wohnwagen sogar im Winter los, um die Feiertage über in den Sardinenbüchsen zu verbringen, anstatt sich zu Hause hinter den warmen Ofen zu setzen.
Aber jeder war schließlich seines Glückes Schmied. Peter Egli hoffte nur, daß bei den Campern alles glattging und es zu keinen Skiunfällen kam.
Der fünfundzwanzigjährige Mann sah, daß das Feuer etwas heruntergebrannt war und legte ein paar Holzscheite nach. Die Rinde fing an zu knistern, sprang explosionsartig ab und prallte gegen die Sichtscheibe.
Auf dem Ofen stand eine Kanne mit heißem Wasser. Peter goß sich einen Tee auf und telefonierte dann hinunter zur Talstation. Er gab seine Meldung durch und berichtete, daß alles in Ordnung war.
»Hier sind auch keine besonderen Vorkommnisse«, hörte er die Stimme seines Kollegen.
»Wollen hoffen, daß es so bleibt«, sagte Peter.
»Das gebe Gott.«
Peter zündete sich seine erloschene Pfeife wieder an und machte anschließend seinen Kontrollgang. Er prüfte nach, ob noch genügend Proviant vorrätig war und checkte auch die Notverbandskästen durch. Wenn etwas fehlte, so schrieb er es auf.
Hin und wieder schaute er aus dem Fenster. Hier oben war es nicht so windstill wie im Tal. Der Wind hatte regelrechte Schneeberge vor den Felsen ausgetürmt. Hin und wieder strich er darüber weg und riß Millionen Schneekristalle in einem weißen Wirbel hoch.
Die Spur seiner Skier konnte Peter Egli verfolgen, bis sie hinter der nächsten Welle verschwand.
Plötzlich vernahm er ein Geräusch.
Peter stutzte.
Der Laut war hinter ihm aufgeklungen und hörte sich schabend und kratzend an.
War etwa Schnee vom Dach gefallen? Und rutschte nun anderer nach?
Peter Egli runzelte die Stirn. Langsam drehte er sich um. Er fühlte, wie sich eine Gänsehaut bildete und seinen Rücken hinunterlief. Irgend etwas war geschehen. Die Luft in der Hütte schien sich
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