0042 - Gift, Juwelen und wir
jemand den Ausstellungsraum betrat, hatte ihn geweckt. Er war aufgestanden, hatte seinen Revolver genommen und war leise zum Ausstellungsraum geschlichen.
»Hätten Sie nicht besser die Polizei angerufen?« fragte ich. »Ich nehme an, daß Sie ein Telefon auch in Ihrem Schlafzimmer haben.«
»Ich wüßte ja nicht, wieviele Kerle es waren«, antwortete er etwas unlogisch.
»Eben deshalb«, sagte ich mit einem Lächeln.
Er zwinkerte irritiert mit den Augen, dann erklärte er hochfahrend: »Ich bin gewohnt, mir selbst zu helfen.«
Ich zuckte die Achsel.
Mr. Allyson berichtete weiter:
»Im Ausstellungsraum stand der Bursche vor der Vitrine. Ich schaltete das Licht ein und schoß ihn nieder.«
»Ohne ihn anzurufen, knallten Sie ihn über den Haufen?«
»Als ich das Licht einschaltete, machte er eine Bewegung, die ich als Bedrohung empfand. Daraufhin schoß ich, traf ihn aber schlecht, denn er bekam eine Hand in die Tasche, zog eine Pistole. Ich schoß noch zweimal. Er verlor die Pistole und fiel um.«
Das war alles, und Mr. Allyson Unterzeichnete das Protokoll. Die eigentliche Tatbestandsaufnahme ging schnell vor sich. Es war alles klar und eindeutig. Die Waffe des Einbrechers besaß zwar ein gefülltes Magazin, aber Allyson hatte auch nicht behauptet, daß der Dieb zum Schuß gekommen wäre.
Noch klarer wurde der Fall, als wir herausbekamen, daß es sich bei dem Verbrecher um Evry Bender handelte. Er hatte eine einschlägige Vorstrafe auf dem Register, ebenfalls Einbruch in einem Juweliergeschäft, und die Waffe zeigte seine Fingerabdrücke. Polizist Folwer äußerte zwar am Morgen nach der Tat zu mir:
»Ich meine, die Schüsse fielen in recht großen Abständen. Mir kommt's so vor, als könnte man einen Revolver schneller abdrücken.«
»Sie können es vielleicht, Folwer«, antwortete ich. »Vergessen Sie nicht, daß ein Juwelier gewöhnlich nicht täglieh mit einer Pistole umzugehen pflegt. Er dürfte nicht sehr geübt sein.«
Auch Evry Benders Zustand bewies, daß Mr. Allyson kein glänzender Schütze war. Er war zwar schwer, sehr schwer verwundet, aber eben nicht tödlich getroffen. Die Ärzte flickten ihn mit großer Mühe zusammen, und so konnte ich ihn eines Tages vernehmen.
Er sah ein, daß irgendwelches Leugnen nicht viel Zweck hatte. Er gab alles zu, allerdings behauptete er, er hätte seine Pistole nicht aus der Tasche bekommen. Er beschuldigte Allyson, ihn kaltblütig und ohne Grund zusammengeschossen zu haben.
Auch vor dem Gericht blieb er bei dieser Behauptung, aber das Gericht glaubte ihm nicht, denn es war logisch, daß Bender versuchte, zu leugnen, daß er die Pistole gezogen habe. Ein gewöhnlicher Einbruch wird mit höchstens fünf Jahren bestraft, ein bewaffneter Einbruch kann zwanzig Jahre kosten.
Mr. Allyson, der als Zeuge geladen war, sagte kalt, er habe sich bedroht gefühlt und geschossen. Er gab zu, daß Bender beim ersten Schuß die Pistole nicht in der Hand gehabt haben mochte, aber dann, kurz vor oder nach dem zweiten Schuß habe er sie gezogen und ihn, Allyson, dadurch gezwungen, noch ein drittes Mal zu feuern.
Der Richter sprach Evry Bender des bewaffneten Einbruchs schuldig und verurteilte ihn zu sieben Jahren.
***
Es war nur ein kleiner und harmloser Fall am Anfang meiner Laufbahn, und ich hätte sicherlich nicht an den Tag gedacht, an dem Bender seine Strafe verbüßt hatte, wenn ich nicht zufällig an diesem Tag im Staatsgefängnis zu tun gehabt hätte. Ich war hingegangen, um einen Mann zu vernehmen, der wegen irgendeiner Sache saß, und von dem wir annahmen, daß er über eine andere, größere Sache mehr wußte, als er sagen wollte.
Als ich den Aufnahmeraum betrat, sah ich einen Mann in einem unmodernen Anzug, der gerade ein Formular unterschrieb. Obwohl der Mann ein schärferes Gesicht bekommen hatte, erkannte ich Evry Bender, und auch er erkannte mich wieder und grinste dünn.
»Hallo, Evry«, sagte ich. »Sind Sie mit der Kur fertig?«
»Werde eben entlassen, G-man«, antwortete er.
»Geheilt?« fragte ich und bot ihm eine Zigarette an.
Er nahm sie und vermied es dadurch, mir zu antworten.
»Sie sollten eingesehen haben, daß Juwelen meistens zu gut gesichert sind, um auch einem intelligenten Mann zu leicht in die Hände zu fallen«, mahnte ich ernst.
»Keine Sorge, G-man«, antwortete er. »Mit Handarbeit gebe ich mich nicht mehr ab.«
Ich hatte genug Sträflinge gehört, um zu wissen, was es bedeutete, wenn sie so daherredeten. Sie glaubten dann, sie
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