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0042 - Herr der wilden Wasser

0042 - Herr der wilden Wasser

Titel: 0042 - Herr der wilden Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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Die dumpfe Kälte ließ nach.
    Von einer Sekunde zur anderen bekam die Atmosphäre eine erdrückende Schwüle – und die drei Menschen bemerkten es fast gleichzeitig und blieben stehen.
    »Hey«, murmelte Bill. »Das ist doch…«
    Er verstummte abrupt. Aus schmalen Augen musterte er die Dampfschwaden, die ihnen entgegenwehten. Feuchter Dampf – weiße, lang gezogene Schlieren. Er erschwerte das Atmen, er legte sich wie eine klebrige Gummischicht auf die Haut – und Nicoles Rechte tastete in einer unbewussten Geste zu ihrer Kehle.
    »Was ist das?«, flüsterte sie. »Was…«
    »Weiter«, stieß Zamorra durch die Zähne.
    Er ging voran. Noch ein Dutzend Schritte waren es bis zu der scharfen Biegung, hinter der sich der Gang zu der großen Grotte verbreitern musste. Zamorra hastete weiter, erreichte die Ecke – und blieb stehen, als sei er gegen eine Wand aus Glas gerannt.
    Milchiges, vielfach gebrochenes Licht schimmerte dort, wo der Höhlenausgang sein musste.
    Brodelnd und kochend sprang Wasser empor, prasselte gegen die Felsen, regnete auf den Boden und verdampfte zischend auf dem kalten Gestein. Weißer, wabernder Nebel füllte die Grotte. Die Hitze schlug nach den Menschen, hüllte sie ein in die Schwaden einer gigantischen Sauna – und keiner von ihnen zweifelte auch nur eine Sekunde daran, dass es unmöglich war, durch diese Hölle ins Freie zu entkommen.
    »Ein Geysir«, murmelte Bill fassungslos. »Beim Zeus, das ist ein Geysir! Schaut euch das an! Das Wasser kocht förmlich.« Er machte eine Pause, schluckte hart. »Verdammt lange«, sagte er zögernd.
    »Der Spuk müsste doch schon wieder vorbei sein.«
    »Es ist ein Spuk«, sagte Zamorra ruhig. »Und wenn ich mich nicht sehr irre, wird er durchaus nicht vorbeigehen.«
    Bill starrte ihn an. Der Widerschein der Taschenlampe zeichnete Schatten und scharfe Linien in das Gesicht des jungen Historikers.
    »Jedenfalls ist es kein normaler Geysir«, sagte er widerstrebend.
    »Aber es kann doch auch keine gewöhnliche heiße Quelle sein. Sie wäre dann doch vorhin schon da gewesen!«
    Zamorra antwortete nicht. Er spürte Nicole neben sich, spürte ihr Zittern, und er brauchte ein paar Sekunden, um mit der aufkeimenden Angst fertig zu werden. Mechanisch griff er nach dem silbernen Amulett und nahm es vom Hals. Er spürte keine Strahlung, keine Wärme – aber er musste zumindest einen Versuch machen.
    Langsam trat er einen Schritt nach vorn.
    Den silbernen Talisman in der ausgestreckten Rechten…
    Fast schien es, als könne er es schaffen, als werde sich ein Weg öffnen – doch schon beim nächsten Schritt schoss zischend und brodelnd eine Qualmwolke auf den Professor zu und ließ ihn zurückweichen.
    Er keuchte.
    Die Hitze nahm ihm den Atem, er hatte das Gefühl, eine feurige Pranke habe nach ihm geschlagen. Hart presste er die Lippen zusammen. Es waren Naturgewalten, denen er sich gegenübersah, keine übersinnlichen Kräfte. Das Amulett richtete nichts aus. Vielleicht, wenn er es hätte schaffen können, die Stelle zu berühren, wo schwarze Magie die Erde aufgerissen und diesen Naturgewalten den Weg gebahnt hatte… Aber so?
    »Es hilft nichts«, sagte er leise. Und nach einer Pause: »Wir müssen versuchen, einen zweiten Ausgang aus der Höhle zu finden.«
    »Einen zweiten Ausgang? Einfach so, auf gut Glück?«
    »Siehst du irgendeine andere Chance, Bill?«
    Fleming grub die Zähne in die Unterlippe. Seine Hand umklammerte die Taschenlampe so fest, dass die Knöchel hervortraten.
    Einen Moment lang starrte er in den Nebelschleier, in den wogenden Vorhang aus brühheißem Wasser, dann schüttelte er den Kopf.
    »Nein«, sagte er rau. »Ich sehe keine andere Chance. Also los, versuchen wir unser Glück!«
    Abrupt drehte er sich um. Die anderen folgten ihm. Für einen kurzen Moment legte Zamorra beruhigend den Arm um Nicoles Schultern. Sie sah zu ihm auf, und über ihr bleiches Gesicht geisterte ein schwaches Lächeln.
    »Ich bin froh, dass ich bei euch bin«, sagte sie mit ihrer hellen, weichen Stimme. »Es ist schrecklich, aber es wäre noch viel schrecklicher, im Wagen zu sitzen, euch hier drinnen zu wissen und nichts tun zu können.«
    »Mir wäre es lieber, wenn du…«
    »Ich weiß. Und mir wäre es lieber, dich in Sicherheit zu wissen. Das ist so.«
    Ihre Augen schimmerten. Zamorra konnte ihre lebendige Wärme fühlen, und für einen Moment hatte er den Eindruck, als müsse allein dieser warme Strom genügen, um das Grauen zu bannen. Bill Flemings

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