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0043 - Die Geister-Lady

0043 - Die Geister-Lady

Titel: 0043 - Die Geister-Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F. Morland
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Wären wir nicht in jener Vollmondnacht zu diesem Spuk gegangen, würde Oleg heute noch leben!«
    Tichon Sellnow schwang die geballten Fäuste. »Milda, Milda! Hör auf es immer wieder zu sagen! Ich warne dich. Ich werfe dich eigenhändig aus meinem Haus!«
    »Du bist Schuld!«, schrie Milda.
    Sellnow wollte sich auf sie stürzen. Valentina fiel ihm in die Arme.
    Sie stemmte sich gegen ihn. Er war kräftiger als sie, wollte sie zur Seite fegen, da schrie sie grell: »Hast jetzt auch du den Verstand verloren? Sieh doch, was der Schmerz mit Milda gemacht hat! Sie ist nicht bei Sinnen. Sie sucht einen Schuldigen für dieses Unglück…«
    »Nicht mich!«, plärrte Tichon wütend.
    Er packte die Schnapsflasche und rannte davon. Es war besser so.
    Valentina sank vor Milda auf die Knie.
    »Mildaschka«, sagte sie sanft. Ihre Stimme zitterte. »Mildaschka, du hast Tichon sehr weh getan. Er hat Oleg geliebt wie einen Bruder. Ihm ins Gesicht zu schreien, er hätte seinen Bruder ermordet, das war nicht richtig. Oleg fiel einem bedauerlichen Unfall zum Opfer. Dafür kann niemand etwas.«
    Milda Dagorskaja weinte haltlos. »Wir hätten niemals zu diesem Gespenst gehen dürfen«, jammerte sie. »Wir haben gefrevelt. Und nun rächt sich die weiße Frau an uns…«
    ***
    Zamorras erster Vortrag war ein voller Erfolg. Professor Jakowlew war begeistert. Er reichte ihn in seinem Bekanntenkreis herum. Mit stolzgeschwellter Brust. Und überall sagte er:
    »Dies ist Professor Zamorra. Der beste Parapsychologe, den die Welt hat. Schade, dass er kein Russe ist.«
    Es blieb nicht aus, dass Zamorra mit dem Professor zu Mittag essen musste. Doch für den Nachmittag ließ er sich von Jakowlew nicht auch noch belegen. Er sagte, er wolle sich Nowosibirsk ansehen. Jakowlew bot sich ihm sogleich als Stadtführer an, und es gehörte sehr viel Fingerspitzengefühl dazu, den Professor so abzuwimmeln, dass er nicht misstrauisch wurde.
    Mit einem Moskwitsch fuhr Zamorra zuerst bei Lipski vorbei.
    Semjon Muratow hatte sich noch nicht gemeldet.
    »Wenn Sie ihn haben, setzen Sie sich unverzüglich mit mir in Verbindung«, verlangte Fedja von Zamorra. »Ich stelle für euch inzwischen eine Reiseroute zusammen, auf der ihr aller Voraussicht nach am wenigsten kontrolliert werdet. Je weniger Kontrollen, desto grö- ßer die Wahrscheinlichkeit, dass ihr gut durchkommt.«
    Den Nachmittag verbrachte Zamorra fast in der Taiga. Der Frost biss ihn in die Nase. Ein eiskalter Wind fegte zwischen den dicht gedrängten Baumstämmen hindurch. Es roch nach Schnee, aber es schneite noch nicht.
    Als der Abend kam, musste Zamorra nach Akademgorod zurückfahren. Er kam an einer kleinen Anhöhe vorbei, als er die Kontrollen passiert hatte. Vier modern gehaltene Gebäude standen darauf. Ihr cremefarbener Anstrich war harmonisch aufeinander abgestimmt.
    Es handelte sich um die Institute für chemische Forschung, von denen sich jedes auf einen besonderen Zweig spezialisiert hatte, wie Zamorra von Professor Jakowlew wusste. Der Moskwitsch fuhr am eindrucksvollen Rechenzentrum vorbei und stieß auf eine gut hundertfünfzig Meter breite Allee, die von zwei ansehnlichen Gebäudereihen flankiert war. In der Feme sah Zamorra ein prachtvolles, palastartiges Gebäude: das Institut für Kernphysik.
    Endlich erreichte er das Stadthotel. Er wohnte im zehnten Stock, also im letzten. Kaum hatte er sich umgezogen, klopfe Professor Jakowlew, der den lieben Gast aus dem Ausland zum Abendessen abholen wollte…
    Ein ungemein aufreibender Aufenthalt in Sibirien, dachte Zamorra seufzend. Und er zermarterte sich während des opulenten Abendessens pausenlos den Kopf darüber, wo Semjon Muratow sich versteckt haben könnte. Er war ein schlechter Gesellschafter an diesem Abend, doch das störte Professor Jakowlew nicht im Geringsten. Er hörte sich ohnehin selbst am liebsten reden…
    Um zehn tranken sie immer noch grusinischen Schnaps.
    Und um zehn begab sich Milda Dagorskaja zum ersten Mal, seit sie verheiratet war, allein zu Bett. Sobald sie das leere Kissen neben sich sah, fing sie wieder an zu weinen. Es war ein trockenes Weinen, denn ihre Augen hatten keine Tränen mehr. Allein war sie nun.
    Mutterseelenallein auf dieser riesigen Welt. Ein Sandkorn, auf sich selbst angewiesen. Keine Eltern. Keine Verwandten. Keine Freunde
    … Jawohl!
    Auch keine Freunde, denn Valentina und Tichon waren keine Freunde mehr. Valentina konnte sagen, was sie wollte. Es war Tichons Schuld, dass Oleg nicht mehr lebte.

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