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0043 - Die Geister-Lady

0043 - Die Geister-Lady

Titel: 0043 - Die Geister-Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F. Morland
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Milda hasste Tichon deswegen wie die Pest, und sie wollte weder ihn noch Valentina, die zu ihm hielt, jemals wiedersehen.
    Mit Olegs Tod hatte sich ein Fluch erfüllt. Ein Fluch, den Tichon Sellnow heraufbeschworen hatte. Da nützte kein Leugnen. Das war eine Tatsache, die unumstösslich war.
    Es verging eine Stunde, in der Milda Dagorskaja keinen Schlaf finden konnte. Immerzu musste sie an Oleg denken, und dass er nie mehr wieder neben ihr liegen würde.
    Es ging auf Mitternacht zu, und Milda lag immer noch wach im Bett. Sie starrte zur Decke und versuchte sich Olegs Gesicht vorzustellen, doch sie bekam seine Züge nicht zusammen. Etwas anderes schaltete sich immer häufiger dazwischen. Das bleiche Gesicht einer Frau, die sie nicht kannte. Es war Anja Plotkinowas Gesicht. Als unten die Uhr Mitternacht schlug, wusste Milda mit einemmal, dass es das Gesicht der weißen Frau war, das sie dort oben an der Decke sah.
    Mit einem entsetzten Schrei schlug sie die Hände vor die Augen.
    Da erkannte sie, dass sich der Spuk in ihrem Geist befand, denn obwohl sie die Augen verzweifelt geschlossen und die Hände fest aufs Gesicht gepresst hatte, sah sie Anja Plotkinowa immer noch.
    Heulend warf sich Milda herum. Sie hatte schreckliche Angst. Sie zitterte. Ihr Pulsschlag wollte die Handgelenke sprengen, und je mehr sie versuchte, dieses leichenblasse Gesicht aus ihren Gedanken zu verdrängen, desto tiefer fraß sich dieses schreckliche Bild in ihr Gehirn ein.
    »Gib mir meinen Mann wieder!«, schrie Milda heiser. »Du hast mir Oleg genommen. Gib ihn mir wieder!«
    Es war niemand im Raum. Trotzdem bildete sich Milda Dagorskaja in ihrem panischen Schrecken ein, Besuch von der weißen Frau zu haben.
    Sie strampelte die Decke fort, warf sich schluchzend über das Bett und hämmerte mit ihren Fäusten auf das Kissen ihres Mannes.
    »Ich weiß!«, kreischte sie. »Ich weiß! Wir hätten es nicht tun dürfen. Es war auch nicht meine Idee! Und es war auch nicht die Idee von Oleg! Tichon wollte dich sehen! Warum hast du nicht ihn geholt? Warum hat ihn nicht ein Baum erschlagen? Warum musste es meinen unschuldigen Oleg treffen?«
    Mehr und mehr steigerte sich die verstörte Frau in ihre Hysterie hinein. Sie weinte, schrie und tobte. Sie schlug um sich, weil sie glaubte, eiskalte Hände würden sie anfassen. Plötzlich schnellte sie mit einem schrillen Schrei aus dem Bett. Sie keuchte in einen finsteren Winkel des Schlafzimmers und presste sich dort mit glasigem Blick schlotternd gegen die kalte Wand. In ihren Augen glänzte der Wahnsinn. Der schmerzliche Verlust ihres Mannes musste ihren Geist verwirrt haben.
    Eine furchtbare Angst schnürte ihr die Kehle zu. Mit weit aufgerissenem Mund japste sie nach Luft. Ihre Wangen zuckten nervös. Sie starrte immerzu auf einen Punkt, als hätte sich dort alles Grauen dieser Welt versammelt.
    »Oleg war unschuldig! Ich bin unschuldig! Geh doch zu den Sellnows! Sie sind Schuld an allem!«, wimmerte die verdatterte Frau.
    Plötzlich ruckte ihr Kopf hoch. Sie hielt den Atem an und blieb vollkommen still. Sie zitterte nicht, bewegte sich nicht, lauschte angestrengt in die Nacht. Ein Heulen und Klagen erschütterte sie schwer. Es war der Wind, aber Milda Dagorskaja war der Meinung, diese Laute würden von jenem schaurigen Spuk hervorgerufen. Mit einemmal hatte sie Angst vor ihrem eigenen Schatten. Wenn sie sich bewegte und ihr Nachthemd raschelte, erschrak sie. Und dann hatte sie urplötzlich das Gefühl, die Decke würde sich langsam auf sie herabsenken. Irgendwann würde sie davon zerquetscht werden.
    Schreiend jagte sie aus dem Schlafzimmer. Sie machte im ganzen Haus Licht, weil sie bohrende Angst vor der undurchdringlichen Dunkelheit hatte. Irgendwo knarrte der Boden.
    »Sie kommt!«, schrie Milda sofort verstört. »Sie will mich holen!«
    Und sie floh von einem Raum in den anderen, getrieben von einer eiskalten Angst, die sich in ihren Nacken krallte und sie nicht mehr losließ. Während sie mit wehenden Haaren rannte, drohte ihr das Herz aus dem Mund zu springen. Sie wünschte sich, sie wäre tot, um endlich diese nagende Furcht los zu sein. Gleichzeitig hatte sie aber eine höllische Angst vor dem Tod. Grell schreiend hetzte sie durchs Haus. Als sie in keinem der Räume Ruhe fand, als sie sich überall in diesem Haus bedroht fühlte, stürmte sie im Nachthemd in die frostige Kälte hinaus. Wie von Furien gehetzt rannte sie auf eine nahe gelegene Scheune zu. Immer wieder wandte sie sich um. Der

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