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0043 - Die Geister-Lady

0043 - Die Geister-Lady

Titel: 0043 - Die Geister-Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F. Morland
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beiden Dinge irgendwie ineinander. Er überlegte: Semjon Muratow brauchte ein Versteck, in dem er sich halbwegs sicher fühlen konnte. Das war entweder die Taiga oder dieses leer stehende Spukhaus. Da der Winter vor der Tür stand, würde den jungen Ingenieur der klirrende Frost sehr bald schon aus dem Wald treiben. Vielleicht war das bereits geschehen. Dann verbarg sich Semjon möglicherweise zu diesem Zeitpunkt schon im Haus der Dagorskis.
    Zamorra verabschiedete sich hastig von Lipski.
    Als er sich in seinen Moskowitsch setzen wollte, spürte er, dass sich ihm jemand näherte.
    Er wandte sich jäh um und schaute in ein granithartes Gesicht. Der bleistiftstrichdünne Mund versuchte ein Lächeln, das jedoch schon im Ansatz misslang. Eiskalte Augen musterten Zamorra. Der Mann hielt ihm einen KGB-Ausweis unter die Nase.
    »Ich bin Oberst Kyrill Vitali«, sagte er mit seiner harten, unpersönlichen Stimme.
    Zamorra gab es einen Stich in der Brust.
    Oberst Kyrill Vitali – der schärfste Spürhund des KGB. Der Mann, der ebenso Jagd auf Semjon Muratow machte wie Zamorra. Nur… der eine wollte ihn zertreten wie eine lästige Laus – während der andere ihm helfen wollte.
    »Was wünschen Sie?«, fragte Zamorra.
    »Darf ich Ihre Papiere sehen?«
    »Natürlich.« Zamorra wies sich aus. Er gab auch das Schriftstück dazu, das ihn berechtigte, sich hier in Nowosibirsk aufzuhalten, obwohl er eigentlich in Akademgorod wohnte. Jack Frankenheimers Papier hielt der gestrengen Prüfung mühelos stand.
    »Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte Zamorra unbefangen.
    »Ich habe mir sagen lassen, dass Sie vier ausgezeichnete Vorträge an der Universität von Nowosibirsk gehalten haben. Leider fehlte mir die Zeit, mir wenigstens einen davon anzuhören.«
    »Ich halte solche Vorträge auf der ganzen Welt«, meinte Zamorra.
    »Darf ich jetzt meine Papiere wiederhaben?«
    »Selbstverständlich, Professor. Sie sind ein gern gesehener Gast in der Sowjetunion.«
    »Weshalb werde ich dann überprüft?«
    »Ich hatte keine Ahnung, wer Sie sind, als Sie aus diesem Haus kamen.«
    »Ach so.«
    »Sie waren bei Fedja Lipski, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Weshalb?«
    »Er hat einen meiner Vorträge gesehen, fand ihn so interessant, dass er mehr ins Detail gehen wollte, aber das war ihm im Hörsaal nicht möglich, deshalb hat er mich zu sich eingeladen.«
    Kyrill Vitali schmunzelte. »Sieh einer an. Ich wusste gar nicht, dass Lipski sich für Parapsychologie interessiert.«
    »Glauben Sie mir etwa nicht?«
    »Doch, doch.«
    »Darf sich Lipski nicht für Parapsychologie interessieren?«
    »Aber ja«, lachte der KGB-Oberst. »Ich sagte doch nur, dass ich das nicht wusste.«
    »Wird Lipski vom KGB überwacht?«
    »Vielleicht.«
    »Weshalb?«
    »Ich habe Ihre Frage nicht bejaht, Professor Zamorra«, erwiderte der schlaue Oberst mit einem listigen Augenzwinkern. Zamorra war von Lipski längst gewarnt. Doch selbst wenn Fedja kein Wort über Vitali gesprochen hätte, hätte der Parapsychologe gewusst, woran er war. Zamorra war ein ausgezeichneter Menschenkenner. Dieser Mann war ein Hai. Ein gefährlicher Räuber, der sofort das Blut roch, wenn man sich nur geringfügig verletzte. Ein Jäger mit Adleraugen, dem kaum jemals ein Wild entkam, wenn er es im Visier hatte. Vor ihm sollte Zamorra den jungen Ingenieur retten. Jetzt erst erkannte der Professor, wie schwierig das sein würde, Vitali, das war eine Ballung von Gemeinheit und Tücke, von Verschlagenheit und Hinterlist. Und es war gewiss kein Zufall, dass sich dieser Mann ausgerechnet vor Lipskis Haus auf die Lauer gelegt hatte. Und es war auch kein Zufall, dass Vitali ausgerechnet jetzt die Frage stellte:
    »Halte ich Sie von irgendetwas ab, Professor?«
    Ja! schrie es in Zamorra. Ja, verdammt noch mal. Du hältst mich davon ab, einem Spuk nachzugehen und einen Jungen zu suchen, der meine Hilfe braucht…
    Aber er sagte: »Nein. Eigentlich, wollte ich nach Akademgorod zurückfahren.«
    »Wann reisen Sie ab?«, fragte Vitali, obwohl das aus Zamorras Papieren klar ersichtlich war.
    »Morgen.«
    »Gefällt es Ihnen bei uns?«
    »Ich muss gestehen, dass mich Ihre Heimat beeindruckt.«
    »In welcher Hinsicht?«
    »In jeder Hinsicht.«
    »Wenn Sie wollen, erzähle ich Ihnen gern mehr über meine Heimat«, sagte der KGB-Oberst.
    Vitali ging um den Moskwitsch herum und setzte sich auf den Beifahrersitz.
    Eine Frechheit. Eine impertinente, verfluchte Frechheit ist das.
    Man sollte ihm dafür den Schädel einschlagen!

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