0045 - Der Höllensumpf
Seminolas machten eine Bahn für den hoch gewachsenen Indio mit dem Kopfschutz aus Schilfrohr frei. Selbst Zamorra und Nicole traten instinktiv zur Seite. Der Mann hatte etwas Ehrfurchtgebietendes an sich. Er steuerte unverkennbar auf Bill Fleming zu. Als er an Zamorra vorbeikam, verharrte sein Fuß eine fast unmerkliche Sekunde lang.
Dann schritt er weiter.
Er hob die beiden Handflächen in Richtung Bill und deutete eine Verbeugung an. »Ich grüße dich und deine Freunde, Forscher«, sagte er. »Seid willkommen bei den Seminolas. Wir werden ein Fest feiern. Ich habe euch erwartet.«
Zu aller Erstaunen wandte er sich nach der Begrüßung Bills an den Professor und streckte ihm seine Hand entgegen. Zamorra ergriff sie. Er war sein seltsames Gefühl noch nicht losgeworden. Im Gegenteil: es hatte sich verstärkt, seit dieser seltsame Mann mit dem komischen Kopfputz aufgetaucht war. Um das Maß voll zu machen, wusste der Zauberpriester auch noch seinen Namen.
»Ich grüße auch dich, Professor Zamorra, Herr über das silberne Metall, das die Geister bannt.«
Zamorra sah aus den Augenwinkeln, wie Nicole neben ihm zusammenzuckte. Auch ihm lief ein Schauder den Rücken hinab. Er hatte sich noch nie der allgemeinen Meinung angeschlossen gehabt, dass die Naturvölker dumm und zurückgeblieben im Sinne der übrigen Zivilisation geblieben wären, aber diese Begrüßung war nun doch ein starkes Stück. Automatisch ruckten seine Augenbrauen hoch. Professor Zamorra hätte unschwer feststellen können, dass er in diesem Augenblick nicht gerade das intelligenteste Gesicht machte, wenn er einen Spiegel dabeigehabt hätte.
Der Druck der Hand des Medizinmannes war hart wie Stahl, schwielig und aufgesprungen wie eine Rinde seine Haut. Wie ein geheimnisvoller Strom floss es über auf ihn und ließ seine Armmuskulatur unmerklich vibrieren.
»Sie kennen mich?«, kam es schließlich staunend über seine bleich gewordenen Lippen. Das Amulett juckte wie verrückt, doch Zamorra gab dem Drang nicht nach, sich zu kratzen.
Der hagere Medizinmann nickte. Sein Gesicht war hohlwangig und ausgezehrt. Der Schädel erinnerte an einen Totenkopf. Man konnte jede Einzelheit des Skeletts erkennen. Die Augen lagen in tiefen, dunklen Höhlen, aus denen es schwarz und düster herausbrannte.
»Ich kenne dich, Herr des Amuletts.« Er machte eine weitreichende Geste, als wolle er das All beschreiben und fuhr fort: »Die Geister haben es mir gesagt, dass ihr kommen würdet. Folgt mir.«
Katulpek wandte sich um. Bill und Zamorra wechselten einen fragenden Blick, Bill zuckte mit den Schultern, dann folgten sie dem Mann, der mit weiten Schritten vorausschritt. Hinter ihnen her trotteten mit hängenden Köpfen die übrigen Indios. Sie taten, als ginge sie das alles nicht das Geringste an. Ihre Mienen blieben teilnahmslos.
Der Medizinmann erreichte die primitiven Rohrhütten als erster.
Man konnte die Behausungen im trüben Zweilicht nur schwer erkennen, und sie wären vollends mir ihrer gleichfarbigen Umgebung eins geworden, wenn nicht in der Mitte der kreisrunden Ansiedlung ein hohes Feuer gebrannt hätte. Grünes, feuchtes Holz mit aufgespießten Fischen am anderen Ende ragte aus der Glut. Der Duft, den sie verströmten, war köstlich, und plötzlich fühlte sich Professor Zamorra daran erinnert, dass er seit dem hastig hinuntergegessenen Mittagsmahl nichts mehr zu sich genommen hatte.
Katulpek ließ sich mit gekreuzten Beinen nieder und deutete mit einer Geste an, dass die anderen seinem Beispiel folgen sollten. Beim Feuer gab es keine Mücken. Nicole registrierte das dankbar und registrierte auch den verführerischen Duft, der neben dem Geruch verbrennenden Holzes entströmte, einen Duft, der auch der französischen Küche der Provence würdig gewesen wäre. Unwillkürlich leckte sie sich erwartungsvoll über die vollen roten Lippen. Ihre grün gesprenkelten Augen schimmerten im Widerschein der Flammen, als würden kleine Kobolde darin tanzen.
Sie ließen sich nieder. Die übrigen Dorfbewohner in respektvollem Abstand. Sie ließen etwa einen Meter Raum zwischen sich und den Fremden. Zamorra hatte in Quecos noch Geschenke für die Indios einkaufen wollen, um nicht mit leeren Händen anzukommen, doch Bill hatte ihm davon abgeraten. Die Seminolas seien zwar zivilisatorisch unvollkommen, aber stolz. Sie würden dem Wahlspruch huldigen: Geben ist seliger denn nehmen. Bill hatte Recht behalten.
Katulpek nahm selbst die Fische aus dem Feuer und verteilte
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