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0046 - Die Dämonenschmiede

0046 - Die Dämonenschmiede

Titel: 0046 - Die Dämonenschmiede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wunderer
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Rätsel, wie ich hinaufsteigen sollte.
    Das größte Rätsel war mir aber, wie ich Kelly heil auf den Boden herunterbringen sollte.
    ***
    Sheila Conolly faßte einen Entschluß. Sie rief eine Freundin an und bat sie, auf den kleinen John aufzupassen.
    »Ich möchte ins Kino gehen«, erklärte sie am Telefon. »Mir fällt daheim die Decke auf den Kopf.«
    »Ist denn dein Mann nicht da?« erkundigte sich die Freundin erstaunt.
    »Er hat auswärts zu tun! Bitte, beeil dich!« Sheila legte auf und lief unruhig durch den Bungalow, bis sie endlich den Wagen der Freundin hörte.
    Überstürzt verließ sie das Haus und fuhr mit ihrem Mercedes 350 SLC in die Stadt hinein.
    Normalerweise genoß sie es, am Steuer des perlweißen Luxuswagens zu sitzen, doch an diesem Abend war sie nervös wie noch nie zuvor. Sie glaubte, die nahende Gefahr an allen Ecken lauern zu sehen. Immer wieder blickte sie in den Rückspiegel. Es war nur eine Einbildung, aber sie fühlte sich von einem schwarzen Schatten verfolgt.
    Nach einigem Suchen fand sie im Londoner Westend einen Parkplatz, verschloß den Wagen sorgfältig und machte sich auf die Suche nach einem Kino. Sie hatte keine besonderen Wünsche, wollte sich nur entspannen und ablenken und unter Menschen sein.
    Ihre Wahl fiel auf einen Zeichentrickfilm. Er versprach, lustig zu werden.
    Als sie in das vollbesetzte Kino kam, fand sie nur mit Mühe einen Platz. Rings um sie brüllte das Publikum vor Lachen.
    Sie ließ sich ermattet auf den Sitz sinken, strich sich abgespannt über die Stirn und versuchte, sich auf den Film zu konzentrieren.
    Er war wirklich umwerfend komisch, und normalerweise hätte sie mit den anderen gelacht, daß ihr die Tränen gekommen wären. Doch an diesem Abend blieb sie todernst. Irgend etwas in ihr meldete sich, eine innere Stimme, eine Vorahnung. Sie konnte es nicht sagen.
    Das turbulente Geschehen auf der Leinwand ging seinem Höhepunkt entgegen. Man verstand kein Wort mehr, weil das Publikum pausenlos vor Lachen tobte.
    Sheila Conolly kam sich vor wie unter einer Glaskuppel. Sie konnte die Menschen sehen, aber sie hatte keinen direkten Kontakt zu ihnen. Sie konnte sie hören, ohne mit ihnen Verbindung zu besitzen. Es war ein grauenhafter Zustand.
    Sie war schon nahe daran, aufzuspringen und fluchtartig das Kino zu verlassen, als etwas Gräßliches geschah.
    Anstelle der Leinwand sah sie eine nackte Steinmauer vor sich. Moos wucherte in den Ritzen. Tiefe Risse liefen durch die einzelnen Blöcke.
    Direkt vor ihr öffnete sich die Erde. Ein großes Loch entstand. Bodenlose Schwärze gähnte ihr entgegen.
    Sie wollte sich an der Sitzlehne festklammern, doch die war verschwunden. Nichts hielt sie zurück, als sie langsam über den Rand des Kraters rutschte.
    Mit einem gellenden Aufschrei verschwand sie in der Tiefe und fiel… fiel… fiel…
    Die Zuschauer sprangen entsetzt von ihren Plätzen hoch, als der nervenzerfetzende Schrei einer Frau durch das Kino hallte. Aus den Lautsprechern gackerten und schnatterten und kicherten die Zeichentrickfiguren, die noch einige Sekunden lang ihren Unfug trieben.
    Dann erstarb der Ton mit einem dumpfen Brummen. Die Leinwand wurde dunkel. Die Lichter im Saal gingen an.
    Alles drängte sich um eine hübsche, blonde Frau, die wie tot auf dem Boden lag.
    ***
    Kelly MacGowan hatte es geschafft, die halbzerstörte Steintreppe hinaufzuklettern. Eigentlich mußte es mir auch gelingen.
    Andererseits war ich viel schwerer als das schmächtige Mädchen. Ich hatte keine Ahnung, ob die morschen Steine mein Gewicht trugen.
    Außerdem hatte Kelly unter Trance gestanden. Das bedeutete, daß sie keine Angst und kein Schwindelgefühl empfunden hatte. Es war ihr völlig gleichgültig gewesen, wie unsicher der Halt und wie tief der Schacht war. Ich konnte mich nicht in Trance versetzen, ehe ich mich an den Aufstieg wagte.
    Dennoch – ich hatte keine andere Wahl. Ich konnte nicht untätig hier unten stehenbleiben und abwarten, wie es weiterging.
    Ich hatte noch eine verschwindend geringe Hoffnung. Vielleicht existierte in Wirklichkeit in diesem Turm eine intakte Steintreppe, und die zerbröckelnden Stufen waren nur eine Sinnestäuschung.
    Probeweise drückte ich mein silbernes Kreuz gegen die Treppe. Nichts veränderte sich. Also schwand auch diese Hoffnung. Ich mußte mich mit dem lebensgefährlichen Aufstieg abfinden.
    Ich holte noch einmal tief Luft, dann schwang ich mich auf die unterste Stufe und kletterte rasch höher.
    Nur nicht nach unten

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