0047 - Die Geisterfürstin
ungeheuer kraftvoll eben. Wie ein bis zur Zerreißfestigkeit gespannter Bogen.
Die Frauen starrten sich an.
Nicole bewegte sich nicht, als die eine Hand mit Goldringen und klauenartig langen, ebenfalls goldfarbenen Fingernägeln langsam zu ihrem Gesicht hochkam und mit den Fingerknöcheln vorsichtig ihre Haut streifte.
Dann schaute sie auf ihren Handrücken hinunter. Ein Ausdruck von Verwunderung trat in ihre exotisch schräg geschnittenen Augen. Hatte sie erwartet, dass Nicoles Teint abfärbte?
Jetzt roch sie auch Nicoles Parfüm. Man sah es daran, dass ihre Nasenflügel leicht bebten, wie sie die Luft einsog.
Nicole ließ willig alles über sich ergehen. Aus den Augenwinkeln forschte sie ihre Umgebung weiter aus. Sie hoffte, Bill irgendwo zu sehen, doch dieses Unterfangen musste nutzlos sein.
Die Frau machte eine herrische Bewegung. Zwei Mannweiber in glänzenden Rüstungen traten links und rechts neben Nicole und hakten sie an beiden Armen unter. Sie trugen sie weg, als wäre sie leicht wie eine Feder.
Nicole wollte sich erst wehren, ließ es aber dann bleiben. Sie wollte nicht noch einmal so einen Sack über den Kopf gestülpt bekommen, sondern wenigstens sehen, wohin sie abgeschleppt wurde.
Der Garten entschwand aus ihrem Blickfeld. Sie wurde wieder abgesetzt, als ihre Beine die Gehbewegungen mitmachten. Der Griff um ihre Arme lockerte sich etwas. Man ließ sie selbst laufen.
Nicoles reger Geschäftssinn zählte den Wert der Edelsteine mit, die schon im Vorraum an den Wänden prangten. Bei rund drei Milliarden Dollar gab sie es auf. Es gab hier Edelsteine wie Kiesel im Loiretal in der Nähe von Blois. Und sie spürte, dass das alles hier nicht Talmi war.
In der Halle wäre Nicole um ein Haar in Ohnmacht gefallen, so überwältigend war der Anblick. Wenn es je einen Garten Eden gegeben hatte – er hätte nicht schöner und harmonischer sein können.
Kleine Teiche lösten sich mit Baumgruppen exotischer Pflanzen ab. Breite Diwane waren dazwischen abgestellt. Auf einigen der Teiche schwammen Matten, auf denen Pärchen lagen. Bei näherem Hinsehen erkannte Nicole, dass es sich dabei ausnahmslos um Frauen handelte.
Nicoles Sinne dürsteten nach mehr. Sie wollte noch mehr sehen, noch stärker diesen unbeschreiblich wohlriechenden Duft einatmen und selbst der Anblick der Pärchen hatte in dieser unirdischen Umgebung nichts Obszönes an sich.
Wenigstens werde ich hier nicht auf die herkömmliche Art vergewaltigt, schoss es Nicole noch durch den Kopf. Dann hatten sie den überdachten Paradiesgarten hinter sich gelassen. Die Walküren schleiften sie durch eine Unzahl von Fluren und Gängen, bis sie in einen Trakt gelangten, in dem die Fenster zwar kunstvoll, aber dennoch sehr stabil aussehend vergittert waren.
Nicole war nach wie vor eine Gefangene. Doch bald schon sollte sie merken, dass sie nicht nur das war.
Sondern eine Sklavin.
Eine Sklavin der Lüste, um genau zu sein.
Genauso wie die Nubierin, die auf einem Sklavenmarkt für den Königshof erstanden worden war.
In einem mit kostbaren Keramiken ausgefliesten Kabinett endete schließlich die Wanderung.
Nicole erschrak bis in die Seele hinein.
Im Becken in der Mitte befand sich eine schwarze Flüssigkeit. Wie im HORRAZAR! Vergessen waren Wohlgerüche und Juwelen.
Nacktes Entsetzen machte sich breit.
Dann rissen die stämmigen Palastwachen Nicole die Kleider vom Leib und stießen sie in das Becken.
***
Zamorra war nur mühsam vorwärts gekommen, doch die Spuren hatten ihm den Weg in die Stadt gewiesen. Er kam an, als die Dunkelheit hereinbrach. Bald nach Sonnenuntergang.
Es war eine Stadt, wie sie sie im 20. Jahrhundert nur mehr in Anklängen gibt. Eine Mischung aus Samarkand und Isfahan. Nur die schlanken Minarette der Moscheen fehlten. Sonst waren die offiziellen Bauten ähnlich prächtig, wenn nicht noch schöner. In der Dunkelheit konnte Zamorra das nicht mehr genau erkennen.
Aber das Tor, das in die ummauerte Stadt führte, war noch gut zu erkennen. Es leuchtete wie ein runder Pizzaofen in die nachtblaue Dunkelheit. Davor die Silhouetten von auf und ab gehenden Wachen mit hellebardenartigen Speeren in der Hand. Zamorra war nahe genug heran, um zu sehen, dass es sich auch bei ihnen um Amazonen handelte.
Zamorra hatte sich überlegt, wie er am besten in die Stadt käme und dabei auch in Erwägung gezogen, über die hohen Mauern zu steigen.
Dann aber hatte er eine bessere Idee.
Zamorra verfügte über hypnotische Kräfte, die er durch
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