0047 - Unser Staatsfeind Nummer 1
man versuchen, sich mit allen Kräften seiner Haut zu erwehren. Was können Sie dagegen tun, daß der einsame Vater eines siebzehn- oder achtzehnjährigen Mädchens vor Ihnen plötzlich zu weinen anfängt wie ein kleines Kind? Daß er schluchzt, wie Sie es nie gehört haben von einem Mann?
Wir steckten unsere Köpfe bis über die Haarwurzeln in die Arbeit, sonst wären wir selber dabei verrückt geworden.
Nachdem uns der Professor auch die Adresse von Lizzys toter Freundin mitgeteilt hatte, gaben wir die Anschrift telefonisch an Mr. High durch. Er sagte, er würde die Benachrichtigung der Eltern des Mädchens selbst übernehmen. Wir waren erleichtert, aber wir fühlten gleichzeitig, wie schwer es für Mr. High werden würde.
Bill fuhr nach Hause, da er ja die Presse im zweiten Fall nicht zu alarmieren brauchte.
Der Professor war erschüttert darüber, daß auch Lizzys Freundin ein so schreckliches Schicksal gehabt hatte.
Er ließ sich selber ebenfalls starken Kaffee bringen und dachte mit uns die ganze Geschichte von allen nur erdenklichen Seiten her durch.
Manchmal fiel ihm plötzlich noch der Name irgendeines Menschen ein, den Lizzy auch kannte und der bisher noch nicht auf unserer Liste genannt worden war.
Als wir glaubten, alle Fragen gestellt zu haben, die überhaupt zu stellen waren, verabschiedeten wir uns. Der Professor versprach, daß er die Liste der Bekannten, sobald wir ihm eine Durchschrift geschickt hätten, auch seiner Frau zeigen würde, damit sie vielleicht noch Ergänzungen veranlassen konnte. Selbst Mary sollte die Durchschrift der Liste studieren. Vielleicht fiel ihr noch irgendein Name ein, der noch nicht genannt war.
Kurz bevor wir aufbrechen wollten, erreichte uns ein Anruf von Mr. High. Er informierte uns kurz. Margret Verhull hatte keine Mutter mehr, sondern nur noch ihren Vater, einen zweiundfünfzigjährigen Exportkaufmann. Mr. High hatte ihn nach langen Erkundigungen bei den Nachbarn schließlich aus einem Revuetheater herausrufen lassen. Der Mann war mit Fäusten auf unseren Chef losgegangen in seinem verständlichen Schock. Jetzt hatte er sich allerdings etwas beruhigt und war bereit, mit uns zu sprechen.
Wir fuhren sofort hin. Er bewohnte ein Apartment in einem neuen Wohnblock. Wir kamep gegen ein Uhr nachts an. Er öffnete uns auf unser Klingeln hin sofort die Tür und musterte uns kurz.
»FBI?« fragte er mit einer Stimme, die völlig gebrochen war.
Wir nickten. Er winkte mit der Hand. Wir traten ein. Er schloß die Tür hinter uns und machte eine vage Geste, die auf Sitzgelegenheiten deutete.
Wir setzten uns. Zu meinem Leidwesen sah ich, daß der Mann nicht getrunken hatte. Wenn er seinen Schmerz betäubungslos in sich hineinfraß, war jeden Augenblick eine Explosion möglich. Wir haben das schon mehr als einmal mitgemacht, die plötzlichen Vorwürfe, wofür wir überhaupt bezahlt würden, ob wir unsere Tage verschliefen, und die Behauptung, daß so etwas überhaupt nicht passieren könnte, wenn die Polizei eben tüchtig genug wäre… Und so weiter — und so weiter…
Ich wußte nicht recht, wie ich anfangen sollte. Ein auffordernder Blick zu Phil hatte kein Resultat, weil es ihm genauso ging wie mir selbst.
Zum Glück nahm uns Mr. Verhull den Anfang ab. Er warf sich in einen Sessel und sagte: »Na, also, ihr Helden! Wenn ihr meine Tochter schon nicht am Leben erhalten konntet, dann wollt ihr euch natürlich wenigstens den Ruhm nicht entgehen lassen, daß ihr ihren Mörder gefangen habt. Los, legt los! Ich beantworte jede Frage! Jede!«
Da hatten wir es schon. Dicht vor der Explosion. Natürlich konnten wir ihn verstehen. Es sind nicht die schlechtesten Menschen, die einem unfaßbaren Schmerz einfach Luft machen müssen.
Ich schob ihm die vier engbekritzelten Seiten mit den Bekannten von Lizzy Bertrams hin.
»Würden Sie so freundlich sein, diese Liste genau durchzusehen?«
»Sicher. Aber zu welchem Zweck?« Ich hielt ihm meinen Stift hin.
»Haken Sie jeden Namen an, von dem Sie mit Sicherheit wissen, daß auch Ihre Tochter diese Person gekannt hat, und wenn es auch nur eine völlig bedeutungslose, flüchtige Bekanntschaft gewesen wäre.«
Er schien etwas fragen zu wollen, aber er zuckte dann doch die Achseln und studierte die Liste.
Er brauchte fast eine Viertelstunde dazu. Manchmal stockte er und überlegte. Als er fertig war, sahen wir, daß knapp die Hälfte aller Namen angehakt war. Er gab uns die Liste zurück.
»Jetzt möchten wir Sie um etwas Weiteres
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