0049 - Der blaue Tod
und trug zerrissene Kleidung. Blut sickerte aus unzähligen Biss- und Schlagwunden hervor. Schreckensgeweitete Augen starrten aus einem fratzenhaft verzerrten Gesicht hervor.
»Paul!«, sagte Mauvais.
»Jean-Luc?« Die Stimme kam keuchend und war kaum wiederzuerkennen. »Tu mir nichts. Hilf mir. Allmächtiger, ich… ich bin ihnen mit knapper Not … entwischt …«
Mauvais hob die Pistole und visierte den Komplizen genauer an.
Dann kam ihm ein Gedanke, und er ließ die Waffe sinken, eilte ihm entgegen. Paul Grivois konnte ihm noch nützlich sein.
»Ich habe die Beute«, versetzte der Boss leise. »Und Romina wartet draußen im Wasserflugzeug. Fühlst du dich in Form, es zu steuern?«
»Ich will’s versuchen…«
»Wo steckt Henri?«
»Das Ungeheuer ist noch hinter ihm her… o Gott …«
Ein Todesschrei gellte durch die Festung und bebte in ihnen nach.
Sie schlichen nach oben, schoben sich durch die finstere Küche und gelangten ins Freie. Die flirrenden Erscheinungen über dem Wehrgang ließen sie zusammenschaudern. Das reitende Gespenst trieb sein Pferd gegen die Mauer der blauen Bestien an…
»Gut für uns«, sagte Mauvais. »Solange die Ungeheuer abgelenkt sind, können sie uns nicht schaden. Los, nichts wie auf den Landungssteg.«
»Zamorra ist frei und muss irgendwo sein.«
»Wenn ich ihn sehe, knalle ich ihn ab.«
Sie schlüpften aus der Tür, an der sie George Griffin überwältigt hatten. Grivois hatte Schwierigkeiten beim Laufen. Als er strauchelte und stürzte, half der Schlanke ihm auf. Er zog ihn am Arm mit.
Sie erreichten das Wasserflugzeug. Romina hockte in der Kanzel.
Jean-Luc Mauvais sprang auf den Backbordschwimmer des Fahrgestells, warf die Raubbeute ins Innere der Maschine und half Paul Grivois beim Einsteigen. Romina keuchte entsetzt, als sie das verwüstete Gesicht des Kleinen erblickte.
Mauvais löste das letzte Tau, das die Maschine noch am Steg hielt.
Romina streckte ihm die Hand entgegen und er kletterte nach oben.
Auf dem Pilotensitz mühte sich Grivois mit dem Anschnallgurt ab.
Anschließend befasste er sich mit der Zündung und den Instrumenten.
»Ich habe einen Koffer mitgenommen«, sagte die Blondine zum Boss. Mittlerweile hatte sie sich eine weiße Hose und einen hellen Pulli übergezogen. »Willst du Kleidung?«
»Dafür ist jetzt keine Zeit.«
Er setzte sich neben Grivois, da er befürchtete, dass der Kumpan ohnmächtig werden würde. Romina begriff von sich aus, was sie zu tun hatte. Sie schnallte sich auf der Rückbank an und sprach kein Wort.
Die Flugzeugmotoren sprangen mit ein paar Patschern an. Allmählich wurde ihr Brummen zu einem satten, konstanten Ton; sie liefen rund und wärmten sich. Paul Grivois nahm etwas Fahrt auf.
Langsam schob sich ihr Fluchtmittel auf das Meer hinaus. Draußen schlugen die Wellen höher. Die Maschine schwankte bedrohlich.
Grivois steuerte soweit, dass er eine Vierteldrehung beschreiben und den Wind für den Start ausnutzen konnte. Sie hatten ihn jetzt von vorn.
Schräg links vor ihnen ragte die kantige, wuchtige Silhouette der Wasserburg auf. Sie konnten den wabernden Blauen Tod erkennen, wie er gegen das reitende Gespenst über dem Wehrgang zuschoss.
Ein Blitz wand sich in vielen Verzweigungen auf die See nieder. Grivois sandte einen Blick durch die Seitenscheibe und machte eine treibende Gestalt vor dem Klippfelsen aus. »Da schwimmt was«, sagte er mühsam.
»Henri«, stellte Mauvais fest.
»Der… arme Teufel.«
»Jetzt brauchen wir bloß noch durch zwei zu teilen«, bemerkte der Boss trocken. »Hör zu, Paul, glaubst du, du bringst diese Mühle einwandfrei hoch?«
»Schwer zu sagen, bei dem Gewitter.«
»Ich will wissen, ob du dich dazu in der Lage fühlst.«
Der Kleine nickte. »Ich bin schon wieder ganz fit. Haltet euch fest, wir treten die Reise an.« Er ließ die Motoren hochtourig drehen. Das Heck senkte sich ein wenig, und die Maschine nahm Fahrt auf. Ein wenig holprig hob sie von der bewegten See ab. Es ging in steilem Winkel aufwärts – die Passagiere wurden in die Polster ihrer Sitze gepresst. Romina hatte wieder furchtbare Angst.
Endlich brachte der kleine Gangster die Maschine in horizontale Position. Regen peitschte gegen die Scheiben der Kanzel, und gefährliches Rucken und Zittern durchlief den Rumpf. »Wir werden’s schaffen«, rief Grivois zuversichtlich aus. »Ich versuche jetzt, das Gewitter zu überfliegen, bien?«
Mauvais hatte keine Einwände. »Wenn wir erst aus dem Gröbsten raus
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