0049 - Der blaue Tod
sie die Koffer an sich. Bevor sie das Gebäude verließen, hob Zamorra lauschend den Kopf. »Ich höre das Rauschen von Wasser – nicht von außen. Es scheint aus dem Keller zu kommen.«
»Das Gewölbe füllt sich wieder«, sagte George.
Zamorra blieb neben der Tür stehen. »Es war der Blaue Tod, der aus seinem Verlies heraus dafür sorgte, dass die Räume trockengelegt wurden. So viel vermochte er auch aus der Gefangenschaft heraus zu tun, als er bemerkte, dass sich Menschen näherten, die ihn möglicherweise erlösen konnten.«
»Rominas Schuld«, bemerkte George gepresst.
Sie liefen über den Hof und suchten den Landungssteg auf. Prasselnder Regen ging auf ihre Gestalten nieder. Rasch begaben sie sich über eine Gangway auf das Achterdeck der weißen Jacht. Nicole stellte sich unter, während Zamorra und George die Leinen lösten.
Die Jacht hob und senkte sich auf den Wellen. Bei jedem Schritt, den die drei Menschen an Bord taten, mussten sie aufpassen, dass sie nicht aus dem Gleichgewicht gerieten und fielen.
Etwas später standen sie in dem überdachten Cockpit. Zamorra kannte sich mit der Steuerung von Schiffen und Flugzeugen zur Genüge aus. Er brauchte nicht lange, um die Eigenheiten dieser Anlage zu erfassen. Er ließ die Zündung vorglühen, dann startete er die beiden 600-PS-Dieselmaschinen.
Bevor sie ablegten, warfen sie einen letzten Blick auf die Wasserburg. Keiner von ihnen verspürte den Wunsch, jemals in das düstere Gemäuer zurückzukehren.
***
Romina Griffin war auf der Rückbank der Flugzeugkanzel eingeschlafen. Trotz ihrer Angst war die Müdigkeit so groß gewesen, dass sie sie schließlich überwältigt hatte. Den Sicherheitsgurt hatte sie nicht gelöst. Sie hockte in schräger, ein bisschen unglücklicher Position mit halb geöffnetem Mund.
Die Borduhr zeigte wenige Minuten vor 22.00 Uhr. Paul Grivois saß mit schmerzverzerrtem Gesicht auf seinem Pilotensitz und spähte durch die Windschutzscheibe. Tintenschwarze Finsternis dehnte sich vor ihnen aus. Es ging immer noch Wind, aber die unruhigen Bewegungen der Maschine hatten seit einiger Zeit nachgelassen.
Keine Blitze zuckten mehr. »Wir haben es geschafft«, verkündete Grivois. »Das Gewitter liegt hinter uns. Hast du… alles begriffen, was ich dir inzwischen … beigebracht habe?«
»Vollkommen«, erwiderte Jean-Luc Mauvais. Er grinste. »Wir müssten nur eine Probelandung und einen Start zwischenlegen, damit ich auch das intus kriege.«
Grivois drehte den Kopf und zeigte ihm sein verwüstetes, vor Schmerz brennendes Gesicht. »Wir würden dabei zu viel Sprit verbrauchen. Wir haben nicht mehr viel. Jean-Luc.«
»Verdammt. Wie weit ist es noch bis zur spanischen Küste?«
Der kleine Gangster berechnete angestrengt den Kurs und ihre jetzige Position. Immer wieder musste er dabei abbrechen, denn der Wundbrand und die Erschöpfung machten ihm schwer zu schaffen.
»In einer Stunde müssten wir dort sein.«
»Und du meinst, der Treibstoff reicht aus?«
»Vielleicht.«
»Ich muss es genau wissen, Paul!«
»Werd’ mir Mühe geben, dass alles klappt. Notfalls müssen wir eben ein paar Meilen vor der Küste wassern und auf ein Schiff warten.«
Der Schlanke funkelte ihn aufgebracht an. »Auf so vage Berechnungen können wir uns nicht einlassen. Tu, was in deinen Kräften steht. Ich könnte dich jetzt ablösen, aber ich weiß nicht, ob das im Moment ratsam ist.«
»Ich… ich halte durch. Es ist … besser, wenn ich weiterhin steuere. Ich kann die Motoren auf niedrigen Tourenzahlen halten und so Sprit sparen.«
»Eine gute Idee, Paul.«
»Du musst mich anschreien, wenn ich einnicke oder… oder ohnmächtig werde.«
»In Ordnung.«
Einige Zeit verging, ohne dass jemand eine Äußerung tat. Dann wachte Romina aus ihrem unruhigen Schlaf auf. Sie beugte sich vor und umschlang ihren Geliebten. »Ist es noch weit?«
»Schätzungsweise eine halbe Stunde, und wir quartieren uns irgendwo an der baskischen Küste in einem Hotel ein.«
»Ich freue mich schon, Darling. Schade ist es nur, dass wir George jetzt nicht mehr um seine Millionen bringen können.«
»Sag das nicht zu früh. Könnte ja sein, dass wir ihn eines Tages wieder treffen.«
Sie küsste ihn. »Wenn, dann hoffentlich, bevor er sein Testament ändert.«
Wenig später begann Paul Grivois unter seinen Schmerzen zu stöhnen. Romina öffnete die Bordapotheke, suchte etwas zum Desinfizieren und blutstillende Verbandspacken heraus. Sie stand auf, trat hinter den Mann und
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