0049 - Der blaue Tod
Wasserburg sowie die neuerliche Flucht der Gangster geliefert. Zamorra hatte jegliche übersinnlichen Aspekte absichtlich ausgelassen. Er wollte nicht an Glaubwürdigkeit verlieren. Die Polizeibehörden brachten bekanntlich wenig Verständnis für die Parapsychologie und deren verwandte Gebiete auf.
Die Fahndung nach den Mördern und Juwelenräubern war wieder angelaufen, und auch zur Festung hin hatte sich ein Kutter auf den Weg gemacht. Man hatte Henri Bienmâts Leiche geborgen. Von dem Wasserflugzeug fehlte jede Spur. Auch Zamorras Hinweis, die beiden Männer und die Frau könnten sich in Richtung Spanien abgesetzt haben, brachte kein Ergebnis.
Die Franzosen verständigten ihre spanischen Kollegen – womit vorläufig alles getan war, was seitens der Polizei unternommen werden konnte. Zamorra und seine Begleiter hatten freie Hand, weiterhin durch die Biskaya zu reisen. Als Privatleute hatten sie weniger Formalitäten zu beachten als die Fahnder aus Brest.
Die weiße Jacht stampfte mit voller Kraft durch den Atlantik. Zamorra rief Nicole über die Bordsprechanlage an. Er musste sich festhalten, um nicht zu Boden oder gegen die nächste Wand geworfen zu werden.
»Los, Chef«, antwortete die schöne Französin. »Der Tee ist fertig.«
Zamorra ging nicht, er arbeitete sich über Deck. Als er die Kombüse betrat, hielt Nicole bereits einen sturmfesten Metallbehälter mit dampfendem, heißem Getränk bereit. Zamorra bedankte sich. Er trank in kurzen Schlucken. Anschließend aß er ein wenig von den Sachen, die sie dem Kühlschrank entnommen hatte: Leberpastete aus der Dose, Lachsschinken, Gurken, eingelegte Paprika.
»Nicht schlecht«, meinte er. »Als Feinschmecker lehne ich zwar gewöhnlich Dosenkost ab – aber ich muss anerkennen, wie wertvoll so ein Proviant sein kann. Hätten die Griffins ihre Jacht samt Kombüse nicht so gut in Schuss gehalten, würde uns allen jetzt der Magen knurren. Hat George auch etwas zu sich genommen?«
»Ja, bevor er zu dir ging.«
»Das freut mich. Er darf sich nicht völlig herunterwirtschaften.«
»Was meinst du, Chef – lassen die beiden Gangster Romina am Leben?«
Zamorra setzte sich. Auch in dieser Position musste er sich noch am Tisch festklammern, denn sonst wäre er durch die schlingernde Schiffsbewegung vom Stuhl geschoben worden. »Gegen 22.00 Uhr habe ich ein flaues Gefühl bekommen. Nicht in der Magengrube, wie du vielleicht annimmst, sondern im Gehirn.«
»Und was bedeutet das?«
»Irgendetwas Schreckliches ist passiert. Ich habe eine sehr kurze Vision gehabt. Grivois scheint tot zu sein, das Flugzeug wurde vernichtet. Mauvais und seine Geliebte schwimmen im Meer.«
Sie wurde aufgeregt. »Aber… aber wie kannst du das so genau wissen? Das grenzt ja an Hellseherei!«
»Nicole, das Gespenst des Druiden hat mir etwas zu vermitteln verstanden.«
»Phänomenal. Wirst du diese Fähigkeiten immer behalten?«
»Ich weiß es nicht.«
»Es wäre von großem Nutzen.«
»Teils ja, teils auch nicht. Ich neige aber zu der Annahme, dass ich dies alles wieder ablegen muss, sobald der Blaue Tod vernichtet ist.«
»Wo befinden wir uns eigentlich zurzeit?«
»Etwa auf der Höhe von Saint Nazaire – über hundert Seemeilen westlich davon entfernt. Bis zur spanischen Küste ist es noch weit.«
»Wie schnell fahren wir?«
»Mit zwanzig Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit. Das ist sehr viel. Schließlich sind die Wetterbedingungen miserabel.«
»Ja. Falls wir dennoch in ruhigeres Wasser gelangen, werden wir automatisch schneller.«
»Genau.«
»Ich schätze, wir erreichen Spanien im Laufe des morgigen Nachmittags. Ich bin schon gespannt, welches Gebiet wir genau anlaufen. Was sagt denn dein hoch entwickelter Spürsinn?«
»Im Augenblick nichts.« Zamorra stand auf und ging auf Nicole zu. Er hatte Mühe, das Gleichgewicht zu behalten. »Du solltest dich hinlegen, Nicole«, meinte er.
»Ich werd’s versuchen.« Sie taumelte gegen Zamorra. Er fing sie auf, und sie lachten.
Kurz darauf kletterte er wieder auf die Brücke zurück. George Griffin stand in kaum veränderter Haltung am Ruder. Damit bewies er, wie seetauglich er war. Für einen Anfänger wäre es unmöglich gewesen, sich auf den Beinen zu halten und dabei auch noch eine 45-Meter-Jacht kunstvoll durch die Fluten zu lenken.
»Mein Kompliment, George«, sagte Zamorra.
Dieser lächelte ein bisschen. »Danke. Ich habe festgestellt, dass das Gewitter sich von uns entfernt. Es scheint nicht mehr ganz so
Weitere Kostenlose Bücher