0049 - Ich und der Teufel MAM
»Wenn ich weiß, wer sein Mörder ist.«
Nur das Motiv des letzten Schurkenstreichs war offensichtlich: Ich sollte in die Tiefe stürzen. War das andere Motiv hinter dem letzten Wort von Steven O'Gar zu suchen: Uxmal? Ich hatte Professor Greet danach gefragt. Er kannte das Wort überhaupt nicht. Auch Doktor Larry Jopling konnte mir keine Auskunft geben, genausowenig Olas Almonte und Juan Rivas. Als ich den Arzt fragte, zogen sich seine Mundwinkel verächtlich nach unten. »Da müssen Sie schon meine Frau fragen, die kennt sich in dem Mayablödsinn besser aus als alle Forscher zusammen.«
Es vergingen zwei Tage und Nächte, ehe ich Mrs. Fox allein traf. Sie kam selten in den Klub, verschwand am frühen Morgen schon mit der Büchse im Urwald — angeblich um eine Leopardenspur zu verfolgen — und in Gegenwart ihres Mannes wollte ich sie nicht verhören.
So machte ich das Naheliegende: ich wartete eines Morgens, bis sie ihren Bungalow verließ und folgte ihr. Und zwar mit Vorurteilen beladen, was mir keiner übelnehmen kann in Anbetracht ihrer zynischen Worte anläßlich unserer ersten Unterhaltung auf der Klubveranda, womit sie mir zu verstehen geben wollte, daß ihr Mann als Mörder der drei Studenten in Frage käme.
Mit Absicht hatte ich dem Comissario von dieser Unterhaltung nichts erzählt, ebensowenig von dem hysterischen Gelächter und dem letzten Wort Steven O'Gars: Uxmal.
Wir FBI-Beamte sind für unsere Objektivität bis zum hundertprozentigen Beweis bekannt. Wir wollen immer erst aus dem Menschen selber schöpfen, bevor wir ein Urteil über ihn abgeben.
Ich nahm mir vor, während ich hinter ihr herpirschte, mit großer Vorsicht und strengster Objektivität vorzugehen.
Sie trug ein Khakihemd, gleichfarbenen Tropenhut aus Kork, Breeches und hochschäftige Stiefel aus- Antilopenleder. In der Hand hielt sie eine Mauserbüchse.
Es fiel mir nicht leicht und ich mußte meine ganze Gewandtheit einsetzen, sie nicht ans den Augen zu verlieren. Leichtfüßig sprang sie über Äste und Vertiefungen, kletterte Abhänge hinauf und hinab. Bis sie vor einem Steinhaufen stehenblieb und einen sonderbaren Vogelschrei ausstieß.
Ich schlich näher heran und sah, daß der Steinhaufen eine Hütte war, an deren Eingang sich ein Reliefbild befand, das einen Maya in Lebensgröße darstellte, umgeben von Hieroglyphen.
Eigentlich wollte ich noch warten und feststellen, was Sol Fox vorhatte, als mein Fuß auf einen trockenen Ast trat. Solche Geräusche verstärken sich in der Stille des Urwaldes.
Blitzschnell' brachte die Frau ihre Mauser in Anschlag, so daß ich es für ratsam hielt, mich zu melden.
»Ach so«, sagte sie und ließ die Büchse sinken. »Sie sind es. Der Kriminalist bei der Arbeit. Wünschen Sie etwas von mir?«
Ich trat hervor und grüßte höflich.
»Sie haben es erraten«, sagte ich. »Ich möchte endlich einmal mit Ihnen unter vier Augen sprechen. Hoffentlich störe ich nicht.«
»Eigentlich hatte ich mich mit jemandem verabredet, aber das kann ja verschoben werden.«
Wieder stieß sie den sonderbaren Vogelschrei aus, jetzt dreimal hintereinander. Darauf setzte sie sich auf einen Felsvorsprung und gab mir durch eine Geste zu verstehen, neben ihr Platz zu nehmen, was ich auch tat.
Sie zog ein silbernes Etui aus der Brusttasche ihres Khakihemdes, klappte es auf, bot mir eine Zigarette an und bediente sich selbst. Ich reichte Feuer.
»Wissen Sie, was das heißt?« fragte sie und deutete auf die mir unverständlichen Schriftzeichen um den steinernen Mann. »Natürlich verstehen Sie davon nichts, schließlich kann nicht jeder die alten Mayahieroglyphen lesen. Sie heißen: ›Der Mensch ist grausam — er frißt sich selbst.‹«
Ich hatte schon eine ganze Menge aus Unterhaltungen mit den Wissenschaftlern gelernt und wollte mein Licht nicht unter den Scheffel stellen.
»Der diese Worte dort eingemeißelt hat«, sagte ich, »tat es aus der Erkenntnis, daß absolute Herrscher — man nennt sie neuerdings Diktatoren — auf die Dauer von ihrem eigenen Machthunger aufgefressen werden. Beispiele aus der allerletzten Epoche der Geschichte brauche ich Ihnen wohl nicht zu nennen. Auch die Priesterkönige der alten Mayas waren Diktatoren, und der Schriftsteller, der diese Worte verewigt hat, wollte seinem Herzen Luft machen. Vermutlich hatte er sich, darüber erbost, weil der herrschende Diktator seine hübsche Freundin mit vielen anderen jungen Damen in die große Zisterne hatte werfen lassen.«
Sol Fox
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