005 - Gekauftes Glück
ging sie einige Schritte zur nächsten Box, in der Annahme, den armen Angus zu sehen, doch als sie dort ankam, war er verschwunden. Im gleichen Augenblick, als sie das feststellte, vernahm sie hinter sich ein Rascheln und drehte sich um, weil sie wissen wollte, was das Geräusch erzeugt hatte. Im Nu wurde sie rücklings von starken Händen ergriffen; eine Hand preßte sich ihr auf den Mund, als sie schreien wollte, und von der anderen wurde sie grob gegen die große Gestalt eines Mannes gezogen. Sie merkte, daß sie hochgerissen wurde, und ihre Füße baumelten in der Luft. Ein Arm legte sich ihr eisern um den Rücken, während sie an die Brust des Mannes gedrückt wurde.
Verzweifelt versuchte sie, sich zu befreien, drehte den Kopf von einer Seite zur anderen, um den Mund öffnen zu können, und trat nach hinten aus. Die Arme konnte sie nicht benutzen, da sie ihr an den Seiten heruntergedrückt wurden. Doch alles Sträuben half nichts. Obwohl es im Stall dunkel war, brauchte sie kein Licht, um zu sehen, daß der Mann sie um Haupteslänge überragte und viel kräftiger gebaut war als sie. Mit wachsendem Entsetzen merkte sie, daß sie ihm gnadenlos ausgeliefert war.
Und dann nahm sie, trotz des Pferdegeruches im Stall, durch die halbzusammengedrückte Nase einen vertrauten Geruch wahr und hörte eine ihr bekannte Stimme rauh flüstern: „Ich nehme die Hand von deinem Mund weg, sobald du mir durch ein Nicken zu verstehen gegeben hast, daß du nicht schreien wirst. Aber ich verspreche dir, so wahr ich dich jetzt habe, daß ich dich bewußtlos schlagen werde, falls du nur ein Geräusch von dir gibst!"
Bretts Stimme! Ashleigh nickte. Ihre Angst verwandelte sich in furchtbares Grauen.
Brett zog die Hände fort und stellte Ashleigh auf dem strohbedeckten Boden auf die Füße. Dann ergriff er sie grob bei den Schultern und drehte sie brüsk zu sich herum.
Sie blickte ihm im schwachen Licht einer Laterne, die am Ende der Boxen brannte, in die Augen, und das, was sie sah, steigerte noch ihr Grausen. Die Augen, die sie in der Vergangenheit so oft frostig angeschaut hatten, hatten jetzt einen eisigen Ausdruck, der, im Vergleich zu früher, alles andere bedeutungslos erscheinen ließ. Selbst im Dämmerlicht übermittelten sie einen so ungeheuren Ärger, daß Ashleigh vor Schreck hörbar den Atem einsog.
„Hol dein Zaumzeug und sattle Benshee!" sagte Brett mit zusammengebissenen Zähnen. „Und mach keine falsche Bewegung, meine liebe Gattin, denn mir würde es noch immer sehr leicht fallen, dich bewußtlos zu schlagen."
Sobald die Stute gehalftert und gesattelt war, zwang er Ashleigh aufzusitzen, nahm dann ein langes Seil und band ihr die Handgelenke, ehe er ihr die Zügel gab. Mit großen Augen sah sie ihn Arric aus einer weiter unten am Gang gelegenen Box führen und einen langen Mantel, der stets im Stall von Ravensford Hall hing und den sie an kühlen Vormittagen, wenn sie mit der Stute arbeitete, anzog, vom Sattel nehmen. Er legte ihn ihr um die Schultern, machte ihn zu und rückte ihn so zurecht, daß ihre gebundenen Hände nicht zu sehen waren. Dann holte er einen alten Seidenschal, den sie ebenfalls für sich im Stall von Ravensford Hall aufbewahrte, um gelegentlich das Haar zurückzubinden, wenn es sie bei der Arbeit störte, aus der Tasche. Schweigend schaute sie zu, als er sich in seinen Sattel schwang, den Hengst neben die Stute lenkte und ihr den Schal auf eine Weise entgegenstreckte, als wolle er sie knebeln.
„Oh, Brett, nein!" rief sie leise aus. „Bitte nicht!"
„Noch ein Wort, und ich binde dich auch an den Füßen und lege dich mir wie einen Sack Mehl vor den Sattel!" stieß er wütend aus und steckte ihr den Knebel in den Mund.
Der folgende Ritt kam ihr wie Stunden vor, obwohl sie nicht sicher war, ob es sich um Stunden handelte. Die einzigen Worte, die Brett geäußert hatte, hatte er am Anfang des Rittes gesagt, als er bemerkte, daß sie sich im Hof der Herberge umschaute, und ihr daraufhin erklärte, sie müsse sich nicht nach Hilfe umsehen. Er habe den Stallknecht mit Angus fortgeschickt, um das Tier nach dem Auftragen der Salbe auf das lahme Bein etwas zu bewegen. Und was Patrick und Miss O'Brien beträfe, so würden sie tief und fest schlafen. Die Nachricht, die Ashleigh erhalten hatte, war natürlich gefälscht gewesen - von ihm. Er hatte sich spöttisch erkundigt, ob sie sich bewußt sei, daß er zu Kriegszeiten ein Teil seines Dienstes für die Regierung darauf verwandt habe,
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