005 - Gekauftes Glück
ihres Seins ersehnt hatte.
Und nun mußte sie mit ansehen, wie diese wundervolle Möglichkeit Ashleigh St. Clair, dieser kleinen Schlampe, aus heiterem Himmel in den Schoß fiel. Ja, das wurmte sie gehörig!
Im gleichen Moment, als sie Ashleigh die am Ende des Korridores gelegene Dienstbotentreppe hinuntergehen sah, wurde plötzlich die Tür zu Madames Räumlichkeiten geöffnet. Madame erschien, gekleidet in ein himmlisches apricotfarbenes Reisekleid mit dazu passender Pelisse.
Da ihr, wie üblich, nichts entging, entdeckte sie die neben der halboffenen Tür stehende Monica sofort und lächelte wissend. „Versuchst du wieder einmal, dir nützliche Informationen zu verschaffen?" fragte sie spöttisch die Blondine. „Ich glaube nicht, daß du zu dieser frühen Stunde viel in Erfahrung bringen wirst. Wir beide wissen, daß die meisten der hier tätigen Frauen noch schlafen. Ich bin der Meinung, auch du solltest noch der Ruhe pflegen, Monica, wenn du dir dein Aussehen bewahren möchtest."
Der gezielte Hinweis, sie bedürfe des Schönheitsschlafes, verschlug Monica den Atem, doch sie gab sich den Anschein der Gleichmütigkeit. „Ich habe nur nachgesehen, ob ich jemandem behilflich sein kann, Madame. Heute nacht hatte ich so viel Schlaf, wie ich brauche."
„Das ist gut." Nicht überzeugt, nickte Madame geduldig. „Nun, da du dich so ... nützlich machen möchtest, könntest du vielleicht etwas für mich tun. Sobald ich einige Einkäufe erledigt habe, verlasse ich London, um eine Weile bei alten Freunden zu verbringen. Ich bin sehr in Eile. Würdest du so nett sein, in die Küche hinunterzulaufen und Dorcas eine Nachricht zu überbringen?" Da Monica nickte, ging Madame eilig zur Haupttreppe weiter und fuhr rasch über die Schulter fort:
„Richte Dorcas aus, daß der von uns so lange erwartete Brief heute morgen endlich eingetroffen ist. Er liegt auf meinem Schreibtisch", fügte Madame hinzu. „Sag Dorcas, daß ich erwarte, nach der Rückkehr Ashleigh St. Clair nicht mehr vorzufinden." Sie hielt inne und warf Monica einen Blick über die Schulter zu. „Das dürfte dich bestimmt sehr glücklich stimmen, nicht wahr, Monica?" Vor Zufriedenheit leise und kehlig lachend, verschwand Madame die Stufen hinunter.
Monica ballte die Hände und bemühte sich, die Wut darüber zu beherrschen, daß Madame sich auf ihre Kosten lustig gemacht hatte. Dann holte sie tief Luft und war soeben im Begriff, Madames Befehl auszuführen, als ihr ein Einfall kam, dessen Tragweite so überwältigend war, daß sie einen Moment lang den Atem anhielt.
Ein verschlagenes Lächeln huschte über ihr Gesicht, während sie der Tür zum Boudoir ihrer Arbeitgeberin zustrebte. Sie vermochte ihr Glück kaum zu fassen.
Sorgfältig achtete sie darauf, keinen Lärm zu erzeugen, öffnete flink die unverschlossene Tür und betrat das Vorzimmer. Leise machte sie die Tür hinter sich zu, eilte zum zierlichen, am anderen Ende des Raumes vor dem Doppelfenster stehenden Louis-XV.-Schreibtisch und erblickte einen Stapel Briefe. Einige der Umschläge waren noch nicht aufgeschlitzt worden. Madame mußte wirklich sehr in Eile gewesen sein, da sie sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, die eingetroffene Post vollständig zu lesen.
Schließlich entdeckte Monica, wonach sie suchte. An der Rückseite des Schreibtisches, gehalten von einem hübschen, mit Maiglöckchen bemalten Briefbeschwerer, lehnte ein Blatt gehämmerten weißen Büttenpapieres. Unfähig, die Aufregung zu dämpfen, las Monica die wenigen Zeilen.
An diejenige, die es betrifft,
hiermit verspricht Seine Lordschaft, Baron Mumford, der jungen Dame, die dieses Schreiben präsentiert, die Anstellung als Gouvernante seiner beiden jüngsten Töchter, den Ehrenwerten Misses Diana und Daphne Mumford. Die Arbeitsbedingungen sind die folgenden ...
Monica war überglücklich. Der Brief sprach nicht nur für sich selbst, sondern enthielt auch nirgendwo den Namen einer bestimmten jungen Dame! Kurzum, jeder, der ihn in Händen hatte, konnte ihn sich zunutze machen. Plötzlich mußte Monica lachen, hörte jedoch rasch auf. Hier war die Lösung aller ihrer Probleme! Sie mußte sich nur des Schreibens bedienen, und niemand würde je etwas erfahren, zumindest einige Tage nicht. Und sie wäre nicht Monica Chatworth, wenn es ihr bis dahin nicht gelungen sein sollte, in dieser kurzen Zeit lukrativen und beständigen Nutzen für sich aus diesem Abenteuer zu ziehen. Sie kannte den Baron, einen verknöcherten
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