005 - Im Reich des Todes
nirgendwo zwischen den Gesteinsblöcken. Wir sahen so gründlich nach, daß wir hundertprozentig sicher sein konnten.
Vorne beim Wasser, am Klippenrand, lenkte eine Bewegung meine Aufmerksamkeit auf sich. Dort war Jack Carrick. Ich stieß meinen Freund an. Carrick stand auf einer nassen Steinnase, stieß sich in diesem Moment ab und stürzte sich kopfüber in die Fluten.
Er versank darin und kam nicht mehr zum Vorschein.
***
Unter der Wasseroberfläche begann das Reich des Todes.
Kein Lebewesen existierte hier ohne die Erlaubnis des Namenlosen. Hier herrschte das absolute Grauen. Die Bucht war ein gefährlicher Nistplatz des Bösen. Die schwarze Macht entfaltete sich hier mit erschreckender Grausamkeit.
Jack Carricks Körper tauchte in das verhängnisvolle Naß ein.
Eisenschwer versank er.
Die Tiefe zog ihn wie ein riesiger Magnet an.
Er drehte sich während des Sinkens, so daß sein Kopf oben und die Beine unten waren. Im schwebeähnlichen Zustand glitt er an der ausgewaschenen Felsformation vorbei. Große schwarze Löcher gähnten ihm entgegen. Er brauchte sich nicht zu fürchten, zu ertrinken. Das personifizierte Grauen bewahrte ihn davor.
Tief unten, nahe dem Meeresgrund, wölbte sich das größte Loch in den Felsen. Von da aus nahm alles Unheil seinen Ausgang. Dämonische Kräfte hockten hier unten und zogen ihre grausamen Fäden. Einer Spinne gleich webten sie ihr tödliches Netz, in dem sich alles Lebende fing.
Tiefe unnatürliche Schwärze.
Vielleicht ein Schlupfloch in die Dimension des Grauens.
Erschreckend, bedrohlich…
Darauf sank Jack Carrick zu.
In der dämonischen Schwärze bildeten sich zwei Glutpunkte. Sie wurden rasch größer, nahmen die Größe von Fußbällen an. Horror-Augen waren es. Die Augen des Namenlosen, der in der Bucht des Unheils zu Hause war. Er starrte Carrick durchdringend an. Die Glut der Augen ging auf den eisenharten Körper des Mannes über.
Jack Carrick glühte von Kopf bis Fuß rot auf, und als das helle Glühen, das seinen Körper zerfaserte, erlosch, war er nicht mehr zu sehen.
Der Namenlose hatte ihn zu sich geholt.
***
»Willst du ihm folgen?« fragte mich Mr. Silver.
Ich schüttelte den Kopf. »Wir würden ihn bestimmt nicht erwischen. Jemand anders hat Vorrang.«
»Wer?«
»Drei Männer haben sich ins Wasser getraut: Bill Carmichael, Jack Carrick und Peter Pratt.«
»Ich verstehe.«
»Ich habe dich immer schon für ein ausgeschlafenes Bürschchen gehalten.«
»Freut mich, daß dein Mundwerk schon wieder in Gang ist.«
Ich hatte mich schneller erholt, als es Jack Carrick lieb sein konnte. Sollte ich das Glück haben, ihm noch einmal zu begegnen, dann würde ich die Punkte auf meine Seite holen. Beim zweitenmal würde ich gewarnt sein, dessen war ich mir sicher.
»Auf zu Pratt!« sagte ich. »Ich könnte mir vorstellen, daß er sich gleichfalls nur noch auf einer Brückenwaage wiegen kann. Wie Bill Carmichael und Jack Carrick.«
»Drei schwere Jungs.«
»Die man nicht auf die leichte Schulter nehmen darf«, setzte ich die verbale Spielerei fort und schob meinen Revolver in die Schulterhalfter.
Wir kehrten zu den Wohnwagen zurück. Die Filmleute hatten sich immer noch nicht beruhigt. Peter Pratt befand sich nicht unter ihnen. Das wunderte uns nicht. Er fühlte sich nicht mehr zu ihnen gehörig. Er hatte sich an jemand anders angeschlossen: an den Namenlosen. Was Carmichael und Carrick getan hatten, war bestimmt ganz in Pratts Sinn. Auch er würde töten, wenn wir ihm nicht rechtzeitig das Handwerk legten.
Der Regieassistent saß auf einem Campingsessel hinter seinem Caravan. Ein grobknochiger Mann mit finsterem Blick und eingedrückter Nase. Er starrte Löcher in den Sand. Als er uns kommen hörte, hob er den Knopf. Seine Miene war abweisend. Er wirkte furchtlos.
»Warum sind Sie nicht bei den andern?« fragte ich.
»Was soll ich da?«
»Interessiert Sie nicht, was passiert?«
»Ich habe alles gehört und gesehen. Parker ist tot.«
»Es scheint Ihnen nicht besonders leid um ihn zu tun.«
»Was erwarten Sie von mir, daß ich flenne?«
»Ein bißchen mehr Mitgefühl könnten Sie schon zeigen, oder wäre das geheuchelt?«
Pratts Brauen zogen sich unwillig zusammen. Über seiner Nasenwurzel entstand eine tiefe Falte. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich in Ruhe ließen, Mr. Ballard!«
»Scheint so, als würde Sie der Tod des Requisiteurs nicht berühren.«
»Es ist schade um ihn. Ist es das, was Sie von mir hören wollen?«
»Wissen
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