005 - Im Reich des Todes
gelang Ihm auch!
Zwischen Mr. Silver und mir fiel ein Vorhang. Es ging alles so blitzschnell, daß ich kaum mit dem Denken mitkam. Der Überfall der Höllenkräfte stürzte auf mich herab und begrub mich unter sich. Das Brausen wurde lauter. Zerren. Schieben. Stoßen. Ein mörderischer Wirbel. Ich wurde gedreht. Schnell, immer schneller.
Es riß mich herum. Ich klebte an der Wand eines konischen Wassertrichters. Die Fliehkraft preßte mich dagegen. Ich war in meiner Bewegungsfreiheit stark beeinträchtigt.
Die unsichtbaren Hände eines starken Sogs krallten sich in meine Beine und zogen mich nach unten. Mein Gehirn schien ähnlich in meinem Kopf herumzuwirbeln, wie ich in diesem gefährlichen Strudel.
Es ging drunter und drüber in meinem Schädel.
Mr. Silver… Die Film-Crew … Der Namenlose … Teufelshaie …
Eisenschwere Mörder… Skelettierte Stuntmen …
Alles das verschwamm in einem düsteren Nebel. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, wußte nur noch eines: daß ich die Zähne zusammenbeißen und durchhalten mußte.
Verkrampft hielt ich die Harpune fest, während sich das Wasserkarussell immer schneller mit mir drehte.
Glutaugen!
Sie wischten fortwährend an mir vorüber, starrten mich an. Ich hatte keine Zeit, mich auf sie zu konzentrieren, denn ich drehte mich ständig an ihnen vorbei.
War das der Namenlose?
Hätte ER mich von Mr. Silver weggerissen, um sich mich allein vornehmen zu können?
Die Kraft, die mich gegen die harte Wasserwand preßte, zerrte an meinem Gesicht, spannte meine Wangen straff nach hinten. Der Gurt, der die Preßluftflaschen hielt, riß ab. Das Atemgerät wurde von meinem Rücken gefetzt. Das Mundstück schnellte zwischen meinen Zähnen, die nicht die Kraft hatten, es festzuhalten, hervor.
Entsetzt glaubte ich, nun ertrinken zu müssen, aber es stürzte sich keine Wasserflut in meinen Mund.
Ich blieb weiter auf dem Höllentrip!
Mr. Silver fort. Kein greifbarer Feind. Kein sichtbarer Gegner. Ich war allein. Allein mit diesen glühenden Augen, die immer rascher an mir vorbeiwischten. Bald wurden sie zu einem roten waagrechten Strich. Ich fühlte, daß ich ihm ausgeliefert war. Er konnte alles mit mir tun. Alles! Ich hatte keine Möglichkeit, ihn abzuwehren.
Tony Ballard – Fallobst für den Dämon. Er brauchte nur draufzutreten, und ich war erledigt.
Ich mußte meinen ganzen Willen aufbieten, um die Arme abspreizen zu können. Ich hoffte, damit die Drehung reduzieren zu können. Aber die Höllenzentrifuge beschleunigte noch mehr. Ich hielt diese physische Belastung nicht mehr aus. Mir drohte schwarz vor den Augen zu werden.
Weiche Knie. Den Magen in der Kehle. Das Herz irgendwo, wo es nicht hingehörte.
Ein Blackout kündigte sich an!
Im selben Moment gelangte ich auf eine Schleuder. Ich bekam es kaum noch mit. Eine Kraft wirkte auf mich ein, die mich erschreckte. Danach wußte ich nichts mehr. Kein Drehen. Keine Fliehkraft versuchte mehr, mir das Fleisch von den Knochen zu zerren. Alles war vorüber. Ich lag. Das Atemgerät war weg. Ich brauchte es nicht, bekam Sauerstoff in meine Lungen.
Meine Augen waren geschlossen.
Ich hatte Angst davor, sie zu öffnen, versuchte zuerst Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Wo mochte ich mich befinden?
Außerhalb des Wassers? Auf dem Strand? Hatte mich das Meer ausgespien, weil es mich nicht haben wollte? Oder befand ich mich nun im Zentrum des Todesreichs?
Hatte der Namenlose mich zu sich geholt?
Spannung und Neugier siegten über die Angst.
Ich schlug die Augen hinter der Taucherbrille auf.
Graue Steinquader. Der Boden und die Wände bestanden daraus.
Ich schob die Maske hoch und setzte mich auf. Hinter mir ragte eine Wand auf, die aus lebendigem Wasser bestand. Magie hielt das Meer zurück. Dort mußte es mich hereingeschleudert haben, in diese verliesähnliche Unterwelt.
Wo war Mr. Silver?
War er draußen geblieben?
Wo waren die Glutaugen, die mein Rotieren im Höllenstrudel beobachtet hatten?
Ich stand auf, war noch ein bißchen benommen, aber der Kreislauf kam schnell wieder in Schwung. Nach wie vor hielt ich die Harpune in meiner Hand. Ich hatte sie nicht verloren. Ich lud sie rasch, dann begab ich mich zu der glitzernden Wasserwand. Ich sah den Meeresgrund vor mir, Felsen, Algen, Korallen. Meine Hand berührte das Wasser. Es war naß, aber meine Finger konnten in dieses Naß nicht eintauchen.
Das Meer blieb draußen.
Und ich befand mich da, wo mich der Namenlose haben wollte.
Blitzschnell
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