Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
005 - Tagebuch des Grauens

005 - Tagebuch des Grauens

Titel: 005 - Tagebuch des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.H. Keller
Vom Netzwerk:
sie packen und ins Feuer werfen. Ja, das werde ich tun. Ich wiederhole mir diesen Befehl.
    Unendlich langsam hebe ich den Arm. Er scheint schwer wie Blei zu sein.
    Die Hand ist still. Sie regt sich nicht, wirkt fast wie ein Tier, das seinen Feind belauert. So wie ich es mit Michel getan habe.
    Ich muss sie beseitigen. Mir graut vor der Berührung. Aber es bleibt mir keine andere Wahl. Ich muss sie beseitigen.
    Rasch strecke ich die Hand aus. Als meine Finger das grauenhafte Ding berühren, schließe ich die Augen.
    Doch ich spüre nichts zwischen den Fingern. Als ich die Augen wieder öffne, ist die Hand schon wieder woanders.
    Aber ich bin überzeugt davon, dass ich nicht danebengegriffen habe. Ich hatte den Eindruck, etwas Kaltes und Weiches zu berühren. Soll ich es noch einmal versuchen? Dazu bringe ich nicht die Kraft auf. Ich beobachte sie.
    Mir kommt eine Idee. Ich laufe zum Büfett und ziehe ein Besteckfach heraus. Dann ergreife ich ein Messer mit großer spitzer Stahlklinge. Jetzt wollen wir doch mal sehen, wer hier Sieger bleibt!
    Als ich zum Tisch zurückkehre, verstecke ich das Messer hinter meinem Rücken, als könne die Hand mich sehen.
    Jetzt stehe ich wieder vor ihr. Sie sieht wie eine unheimliche Krabbe aus.
    Ich muss gleich beim ersten Versuch treffen. Alle meine Kräfte sind angespannt, meine Muskeln sind wie verkrampft.
    Wenn ich genau hinsehe, scheint es mir fast, als hätte die Hand Augen. Ich weiß, dass das nicht sein kann, aber es sieht tatsächlich so aus.
    Die Hand scheint jede meiner Bewegungen aufmerksam zu verfolgen. Sie wiegt sich hin und her, kommt näher, weicht zurück. Wartet auch sie auf den passenden Augenblick, um zum Angriff überzugehen?
    Meine Finger verkrampfen sich um den Griff der Waffe, den ich fest in der Hand halte. Wie eine grauenhafte Spinne kriecht die Hand über den Tisch, eine Spinne mit fünf Fingern als Beine.
    Achtung, jetzt ist es soweit! Ich darf nicht nervös werden, darf nicht das Ziel verfehlen.
    Die Hand hat jetzt die Mitte des Tisches erreicht. Die Finger sind leicht angewinkelt, als wolle sie sich zum Sprung bereitmachen, und die Nägel graben sich tief ins Holz.
    Ich darf ihr nicht die Initiative überlassen. Mit einer heftigen Bewegung hebe ich den Arm und stoße die Klinge in den Rücken der Hand. Ich sehe genau, wie sie durch das Fleisch hindurch dringt und sich tief ins Holz bohrt.
    Den Griff lasse ich los. Leicht federnd schwingt er hin und her. Die Hand ist auf dem Holz fest gespießt.
    Ich stoße ein Triumphgeschrei aus. Dann höre ich ein leises Jammern. Und die Hand verschwindet. Sie löst sich in Nichts auf. Keine Spur bleibt von ihr zurück.
    Doch, es bleibt etwas zurück. Ein Blutfleck auf dem Holz.
    Ich ziehe das Messer aus der Tischplatte und betrachte es. An der Klinge sind keine Blutspuren.
    War es denn eine menschliche Hand? Ich weiß nicht, was ich von der Sache halten soll.
    Und das Jammern, das ich gehört habe?
    Ich muss es genau wissen. Vielleicht ist jemand hier im Raum. Wieder läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken.
    Aber ich bin allein. Niemand kann sich im Raum verstecken.
    Wer hat gejammert?
    Merkwürdig, ich habe das Gefühl, dass ich es bald wissen werde.
     

     
    Suzanne schläft. Aus ihren selbst im Schlaf noch angespannten Zügen kann ich ersehen, dass sie leidet. Ihr Atem geht rasch.
    Noch nie ist sie mir so erbarmungswürdig mager vorgekommen. Ihre Wangen sind eingefallen, und es scheint, als wollten die scharfen Knochen die Haut durchdringen.
    Seit dem furchtbaren Abend des 4. Januar ist keine Farbe mehr in ihnen.
    An jenem Abend hat sie zu sterben begonnen.
    Am liebsten würde ich sie in die Arme nehmen, sie an mich drücken und sie zu trösten versuchen. Doch damit kann ich ihr nicht mehr helfen. Sie legt keinen Wert mehr darauf, denn sie lebt schon fast in einer anderen Welt. Sie würde mich nur zurückstoßen, wie sie es jedes Mal getan hat, wenn ich mich ihr zu nähern versuchte. Freundlich, aber bestimmt, pflegt sie mich abzuwehren.
    Wieder steht plötzlich Michels Bild vor mir. Er versperrt mir unsichtbar den Weg zu Suzanne. Wenn er nicht mehr lebt, werde ich meine Frau vielleicht retten können.
    Nur noch zwei Tage. Die Zeit drängt. Ich hätte schon viel eher handeln sollen, gleich zu Anfang.
    Das Heft! Ich öffne die Schublade der Kommode. Sie quietscht leise. Suzanne schlägt matt die Augen auf und blickt zu mir herüber.
    »Was ist denn?« fragt sie.
    »Nichts. Ich hole mir nur ein

Weitere Kostenlose Bücher