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005 - Tagebuch des Grauens

005 - Tagebuch des Grauens

Titel: 005 - Tagebuch des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.H. Keller
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zu spät. Jetzt lässt sich das Rad des Schicksals nicht mehr anhalten.
    Ich muss alles genau aufschreiben, damit ich es später lesen kann. Später, wenn ich alles vergessen habe – falls das überhaupt möglich ist.
    Wenn nicht, umso schlimmer. Dann wird Pierre vielleicht diese Zeilen finden. Er weiß dann wenigstens, was ich durchgemacht habe, und wird Mitleid mit mir haben.
    Ich weiß nicht, wie spät es ist. Die Uhr hat eben halb geschlagen. Halb wovon? Ich weiß es nicht. Aber das ist ja auch egal.
    Wir sind schon lange von Michel zurückgekommen. Pierre ist fast sofort eingeschlafen. Ich habe aber keine Ruhe gefunden. Mein Herz schlägt noch immer heftig, wenn ich an das denke, was ich erlebt habe.
    Pierre weiß nicht, dass ich in die Küche gegangen bin. Er schläft fest und braucht über nichts nachzudenken. Wie gut er es hat!
    Möge er nie erfahren, was ich durchgemacht habe, möge er es nie am eigenen Leibe erleben.
    Der erste Versuch bei Michel ist misslungen. Vermutlich lag es daran, dass Pierre nicht an die Sache glauben wollte. Dennoch habe ich eine Erscheinung gesehen. Es war allerdings nur eine Art Nebelschleier.
    Die zweite Séance dagegen ist ganz anders verlaufen. Ich hatte den Eindruck, während ich jene Schwelle überschritt, dass sich mir ein großes Geheimnis erschließen würde.
    Michel hat sich neben mich gesetzt. Er hat gesagt, dass ich mich bemühen soll, an überhaupt nichts zu denken. Ganz langsam ist vor mir etwas aufgetaucht. Es hat sich aus dem Nichts heraus gebildet. Zuerst war es nur ein undeutlicher Schatten.
    Ich habe Michel gefragt, ob er es auch sieht.
    »Nein«, erwiderte er.
    »Ich kann aber etwas erkennen. Dort vor uns.«
    »Beschreibe mir mal, was du siehst.«
    Ich zögerte, denn ich konnte noch nichts Genaues erkennen. Es war zu undeutlich, aber ich wollte es trotzdem versuchen.
    »Ich sehe … einen Schatten. Wie Nebel …«
    »Welche Form hat er?« fragte Michel.
    »Die eines Menschen.«
    »Sieh genau hin«, verlangte er. »Konzentriere dich darauf.«
    Michels Stimme war sehr ernst. Ich hörte aufmerksam zu. Im Augenblick dachte ich an gar nichts.
    »Jetzt sehe ich es schon besser.«
    »Was siehst du?« fragte Michel.
    »Ganz undeutlich kann ich einen Kopf erkennen.«
    Stille. Ich starrte mit aufgerissenen Augen auf den Schatten.
    »Jetzt sehe ich es noch besser«, sagte ich. »Erkennst du es auch, Michel?«
    »Nein, ich kann es nicht sehen. Deshalb musst du mir sagen, was du erblickst, damit ich es durch dich sehen kann.«
    Ich spürte seinen Blick auf mir, so als wollte er in meinen Augen ablesen, was ich sah.
    Dann nahm die Erscheinung immer genauere Formen an. Nein, es war doch nicht das, was ich erwartete. Zuerst dachte ich, dass es sich um einen weißen Schleier handeln würde, aber jetzt erkannte ich, dass es nur ein Lichtschein war, hell und milchig.
    In diesem Schein zeichneten sich allmählich Umrisse ab, die aber noch sehr verschwommen waren. Ich hätte nicht sagen können, was es war.
    »Nun?« fragte Michel.
    »Schweig«, erwiderte ich ungeduldig.
    An der Stelle, an der sich der Mund der Gestalt hätte befinden müssen, die ich auftauchen sah, erkannte ich eine leichte Bewegung. Die Erscheinung sprach mit mir.
    Was sagte sie? Ich weiß es nicht. Offensichtlich wollte sie mir etwas mitteilen. Ich verstand sie jedoch nicht. Ich vernahm einige Laute, aber es gelang mir nicht, sie zu Worten zusammenzufügen.
    Erst nachdem ich eine Weile mit klopfendem Herzen gelauscht hatte, verstand ich einen Satz: »Du gehörst mir!«
    Was sollte das heißen? Ich bekam es mit der Angst zu tun.
    Die Erscheinung wurde schwächer, verschwand fast, war aber gleich darauf wieder deutlicher zu sehen. Zwei Meter vor mir stand sie regungslos in der Luft.
    Ich suchte nach ihren Augen. Es waren zwei dunkle, leere Höhlen. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass ein Blick auf mir lastete, dass mich dieses Wesen musterte.
    Dann war die Stimme wieder zu vernehmen. Ich verstand nicht, was sie sagte. Doch dann kam wieder der Satz, den ich nur allzu gut verstand: »Du gehörst mir!«
    Die Stimme klang hart, aber merkwürdig klangvoll.
    Was sollte ich tun? Ich stand auf.
    Michel hielt mich zurück. »Was machst du denn?«
    Ich gab ihm keine Antwort.
    Langsam machte ich noch einen Schritt, dann noch einen. Gleich darauf stand ich dicht vor der Gestalt. Ich spürte Kälte, die mir entgegenstrahlte.
    »Komm näher«, hörte ich die Stimme der Erscheinung.
    Hatte ich sie wirklich vernommen oder es mir

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