0050 - Der Mörder aus der Bronx
die er gemacht hat.«
»Danke für die Aufklärung«, sagte ich enttäuscht. Ich hatte mehr erhofft. »Der arme Junge hat viel Überstunden gemacht. Jeden Tag vier oder fünf. Am 23. vorigen Monats waren es sogar zehn Stunden. Praktisch muss er an dem Tag die ganze Nacht gearbeitet haben.«
»Mag sein«, antwortete Laroche gleichgültig. »Ich kümmere mich nicht um Einzelheiten des Betriebes.«
»Sie scheinen sich überhaupt nicht viel um Ihren Laden zu kümmern«, bemerkte ich.
Er lachte wieder.
»Es sieht so aus. In Wirklichkeit weiß ich genau Bescheid, Mister Cotton. Aber Sie haben recht, wenn Sie meinen, dass ich die Firma hasse.«
»Wie die Amerikaner?«
Er nickte gleichgültig. »Ungefähr so. Mein Großvater hat das Unternehmen gegründet. Mein Vater hat es fortgeführt und hat mich gezwungen, ebenfalls Ingenieur zu werden. Meine Interessen liegen auf einem anderen Gebiet. Ich wäre Wissenschaftler geworden oder Künstler. Vielleicht haben Sie bemerkt, dass ich ein guter Geigenspieler bin. Leider zwang mich meine Familie zum Traditionsberuf, und so muss ich alberne Stahlkonstruktionen für Kräne, Stahlbehälter für chemische Apparaturen und alles mögliche widerliche und hässliche Zeug bauen.«
»Kann ich die Firma besichtigen?«
»Bitte«, antwortete er und machte eine Handbewegung zur Tür.
Wir gingen jetzt durch das Treppenhaus. Ich sah einige Männer in weißen Kitteln, die uns höflich und etwas unterwürfig grüßten. In der Haustür begegnete uns ein untersetzter Mann, der lange, graue Haare hatte und einen struppigen, grauen Bart trug.
»Gregor Sakow, mein Betriebsleiter und Chefingenieur«, stellte Laroche vor.
Der seltsame Mann starrte mich aus kleinen, hitzigen Augen an.
»Mr. Cotton von der Polizei brachte mir die Nachricht, dass der arme Robert Meyler in der vergangenen Nacht ermordet wurde«, fuhr Laroche fort.
In Sakows Bart klaffte ein Spalt, sein Mund.
»Ermordet? So!«, stieß er mit einer tiefen Brummstimme hervor. Dann ging er ohne ein weiteres Wort an uns vorbei und verschwand hinter der nächsten Tür.
Laroche bemerkte mit einem Lächeln, dass ich dem Bärtigen voller Überraschung nachsah.
»Ein etwas seltsamer Mann«, sagte er. »Er steckt immer so tief in seinen technischen Problemen, dass er für alles andere keinen Sinn hat.«
Ich unterdrückte die Bemerkung, dass bei Laroche & Laroche eine Menge seltsamer Leute zu arbeiten schienen, angefangen von Miss Lendal über Mr. Sakow bis zu Laroche selbst.
Wir gingen durch die Werkstätten. Ungefähr dreihundert Männer mochten in den verschiedenen Abteilungen arbeiten. Altmodisches mischte sich mit Hochmodernem. Die Räume selbst waren ungepflegt, viele der Maschinen schienen Jahrzehnte auf dem Buckel zu haben. Anderen konnte man an der Lackierung ansehen, dass sie noch nicht lange standen.
»Ihr Laden scheint zu funktionieren«, bemerkte ich.
»Es geht«, antwortete er mit einem Achselzucken. »Als ich hier Chef wurde, habe ich eine Menge geändert. Die Prokuristen und Angestellten meines Vaters haben mich deswegen kritisiert. Nun, ich habe sie entlassen und nach meinem Kopf gehandelt. Sie sehen, es geht trotzdem. Wollen Sie noch etwas sehen, Mr. Cotton?«
»Danke, das genügt wohl. Können Sie durch einen Anschlag bekannt machen, dass Meylers getötet wurde, und dass Leute, die eine Aussage darüber machen können, gebeten werden, sich an die Inspektion 12 zu wenden?«
»Natürlich, aber ich dachte, die Polizei wäre auf das Geschwätz der Leute nicht angewiesen, um ihre Fälle zu klären.«
»Vielleicht ist die Polizei nicht so intelligent, wie Sie glauben«, antwortete ich. »Bestimmt aber ist sie nicht so hochmütig wie Sie, Mr. Laroche.«
Er lächelte. »Ich mag es gern, wenn jemand scharf zu antworten versteht«, sagte er. »Besuchen Sie mich mal wieder, Mr. Cotton.«
Wir waren am Tor angekommen. Der Pförtner hastete aus seinem Häuschen, um zu öffnen.
»Eine letzte Frage, Mr. Laroche. War in der letzten Zeit ein Hausierer in Ihrer Fabrik? Ein Mann, der Haushaltsartikel verkauft, zum Beispiel Zahnbürsten?«
»O nein, Mr. Cotton. Das gibt es in meiner Fabrik nicht. Ein Hausierer würde nie durch das Tor gelangen.«
»Ich danke Ihnen, Mr. Laroche.« Wir verabschiedeten uns mit einem Händedruck.
***
Um Mitternacht saßen wir noch in Websters Zimmer: der Oberkommissar, Dr. Laurent, der Polizeiarzt, Lieutenant MacGish vom 81., Phil und ich.
Die technischen Unterlagen über den Fall Robert Meyler
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