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0051 - Das Schiff der toten Seelen

0051 - Das Schiff der toten Seelen

Titel: 0051 - Das Schiff der toten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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die sie vor der Wüstensonne geschützt hatten. Nicole war genau so verschleiert wie Fatme, um kein unliebsames Aufsehen zu erregen. Alle drei fühlten sich erleichtert, als sie endlich aus den Sätteln der ungewohnten Reittiere steigen konnten, und während Mehmed, der alte Patriarch, an die Tür einer Hütte klopfte, halfen sie Fatme, die Kamele auf einen kleinen, umzäunten Platz neben dem Haus zu treiben.
    Ein paar Minuten später betraten sie die Hütte.
    Abdulla, der Fischer, begrüßte sie ehrfürchtig – auch ihm mußte Mehmed Wunderdinge von den fremden Besuchern erzählt haben.
    Der Alte atmete tief und strich über seinen grauen Bart.
    »Abdulla kennt nicht den Weg zur Insel der Piraten«, sagte er langsam. »Niemand wagte sich je auch nur in die Nähe. Es sind einfache Menschen, Herr, keine Krieger und keine Helden. Sie sind froh, wenn die Piraten sie in Ruhe lassen. Gern überläßt euch Abdulla sein Boot, aber mitzufahren weigert er sich.«
    »Niemand erwartet, daß er sich in Gefahr begibt.« Zamorra zögerte einen Moment, dann streifte er den wertvollen Siegelring mit dem Wappen der Montagnes vom Finger und reichte ihn dem Alten.
    »Nehmt dies hier zum Pfand. Es ist Gold. Falls wir nicht zurückkehren, wird der Erlös für ein neues Boot reichen.«
    »Herr, überlegt es euch! Die Piraten sind mächtig und grausam! Fordert sie nicht heraus! Nehmt unsere Gastfreundschaft in Anspruch, solange es euch beliebt, aber fahrt nicht zu der Insel!«
    »Wir müssen, Mehmed. Wirst du uns das Boot zeigen?«
    Der Alte nickte.
    Noch einmal begann er, in dem schnellen, altertümlichen Arabisch, von dem Zamorra nur die Hälfte verstand, auf Abdulla einzureden. Der Fischer biß sich angstvoll auf die Lippen. Aber schließlich verschwand er in einem Nebenraum – und als er zurückkam, rollte er ein vergilbtes Pergamentstück auseinander, das sich als alte Seekarte entpuppte.
    »Die Pirateninsel«, erklärte Mehmed. »Abdulla hat die Karte vor langer Zeit gefunden, und niemand ahnt, daß er sie besitzt. Es bringt Unglück, das Versteck Ben Maruts zu kennen.«
    »Ben Marut?« echote Zamorra.
    »Der Anführer der Piraten. Ein Sarazenenfürst war er, heißt es, ein mächtiger Mann, den Trug und List um sein Erbe brachten. Jeder fürchtet ihn. Seine Schiffe beherrschen die Küste, brandschatzen die Dörfer. Und nicht einmal dem Kalifen ist es je gelungen, ihn zu fangen.«
    Zamorra nickte nur.
    Nachdenklich betrachtete er die Karte, prägte sich die Lage der Insel ein – und als sie wenig später durch die engen, verwinkelten Gassen zum Hafen gingen, war er ziemlich sicher, daß er den Weg finden würde.
    Mehmed zeigte ihnen das Boot und erklärte ihnen, wie sie das grün und weiß gestreifte Lateinersegel bedienen mußten. Der Wind hatte gedreht, wehte heiß und trocken vom Land hier – ein günstiges Zeichen. Leicht glitt das altertümliche Fahrzeug über das Wasser.
    Nicole hatte den Schleier abgelegt. Ihr Gesicht wirkte blaß und müde, und die Goldfunken, die sonst in ihren braunen Augen tanzten, waren erloschen.
    »Haben wir überhaupt eine Chance, die Insel ungesehen zu erreichen?« wollte sie wissen.
    Zamorra hob die Achseln. »Ich weiß es nicht. Wir können nur hoffen, daß dieser Ben Marut sich zu sicher fühlt, um besonders wachsam zu sein. Im Nordosten der Insel gibt es eine geschützte Felsenbucht, die zu klein für größere Schiffe ist – die werden wir anlaufen.«
    »Viel Vergnügen«, knurrte Bill. »Ich wünschte, wir hätten wenigstens noch Reservemuniton für deinen Revolver.«
    »Vielleicht ist es besser so. Ich habe Achmans schwarze Panther erschossen und ihn überzeugt, daß ich ein großer Magier bin, aber es würde mir schwerfallen, das gleiche mit ahnungslosen Menschen zu tun.«
    »Mir nicht! Jedenfalls nicht, wenn es sich bei den ahnungslosen Menschen um blutrünstige Piraten handelt, die mir ans Leben wollen. Ich will ins zwanzigste Jahrhundert zurück, verdammt noch mal, nicht gleich in die Ewigen Jagdgründe!«
    »Das wollen wir alle. Aber der Weg dazu führt nun einmal über Alban und Leonardo. Es hilft nichts…«
    Bill knurrte etwas Unverständliches, während er sich am Ruder zu schaffen machte. Sie hatten zunächst die Richtung nach Nordosten eingeschlagen, um sich der Insel im Bogen zu nähern. Es dämmerte bereits. Zamorras Rechte schloß sich um das Amulett, und er versuchte, seine ganze innere Kraft auf den Talisman zu konzentrieren.
    Aber diesmal sah er nicht Leonardo de Montagne.

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