0052 - Der Teufelsring
solange du noch kannst. Ich schwöre es dir: du hast keinen einzigen Zahn mehr, wenn ich mit dir fertig bin.«
Der Malaye winselte. Seine Gesichtsfarbe war grau geworden. Er sah aus, als müsste er sich jeden Augenblick übergeben. Unwillkürlich wich Zamorra ein paar Schritte zurück, um sich nicht besudeln zu lassen.
Aber der Meuchelmörder hatte anderes vor. Ohne dass Zamorra es hätte verhindern können, fuhr seine Faust ein weiteres Mal unter sein vom Sturz zerrissenes Hemd. Noch mal der schimmernde Knauf eines Dolches. Zamorra wollte zuschlagen, doch er war es nicht mehr, der angegriffen werden sollte.
So musste er zusehen, wie der Polynesier sich die Klinge selbst in den Bauch stieß.
Zamorra wandte sich ab.
Er hatte es nicht mehr verhindern können, dass der Mann sich selbst richtete. Es war sein Auftrag gewesen, ein Auftrag, aus einem bestialischen, nichtmenschlichen grausamen Gehirn geboren.
Das Leben des Malayen floss mit seinem Blut in den trockenen Sand zwischen dem Dornengestrüpp. Er würde keine Antwort mehr geben können. Er hatte versagt, und Ahriman duldete keine Versager um sich.
Zamorra sorgte dafür, dass Nicole keinen Blick mehr auf den Toten werfen konnte. Der Anblick des Bullen war grässlich genug.
***
Entweder die Schüsse waren nicht gehört worden, oder die Leute in diesem Viertel wollten einfach nichts hören. Jedenfalls wollte Zamorra das nicht herausfinden. Deshalb setzte er sich zusammen mit Nicole über den Weg ab, den die beiden Killer genommen haben mussten – über die Gartenmauer. Sie gelangten unbehelligt ins Freie und auf die Straße zurück. Keine Menschenseele zeigte sich in den Gassen.
Sie liefen zurück zum Hafen, wo sie am ehesten ein Taxi auftreiben konnten. Im Gehen ordnete Zamorra seine Kleidung und sein Haar, während sich auch Nicole die Frisur wieder zurechtrückte. Sie hatte es dabei ein wenig einfacher, denn sie benützte an diesem Morgen eine dunkle Perücke.
Der Taxifahrer freute sich sichtlich, als Zamorra das Ziel der Fahrt angab. Dass er eine Fuhre hinaus nach Izmit bekam, passierte ihm bestimmt nicht alle Tage.
Anfangs hielt er seine beiden Fahrgäste wohl für Touristen, denn er wollte sie in ein Gespräch über Wetter und Land verwickeln, doch als Zamorra und das Mädchen nur sehr einsilbig antworteten, der Mann später auch noch bedeutete, dass sie ungestört sein wollten, fror die Unterhaltung ein.
Das karge Hügelland, unterbrochen von einigen trockenen Feldern, auf denen niedrig der Weizen stand, rollte an ihnen vorbei.
Den Dörfern sah man an ihrer Ärmlichkeit jetzt doch schon an, dass man sich auf der anatolischen Seite des Bosporus befand. Die Menschen hier lebten von einer wenig ergiebigen Landwirtschaft, deren Ernten kaum geeignet waren, all die hungrigen Mäuler zu stopfen.
Der Fahrer brauchte für die Strecke nur eine knappe Stunde.
Izmit war ein Städtchen von vielleicht fünftausend Einwohnern, einer Unzahl von Ziegen und von Federvieh. Schlecht sortierte Geschäfte säumten die Straßen. Ein Metzger verkaufte Fleisch am staubigen Straßenrand und verscheuchte die Fliegen auf seinem Angebot nur, wenn sich Kunden näherten. Der Ort lag träge in der Sonne des späten Vormittags.
»Wohin genau?«, fragte der Taxifahrer. Er war immer noch ein wenig eingeschnappt. Es war ihm anzuhören.
»Was ist im Nordosten von Izmit?«, fragte Zamorra dagegen.
Der Taxifahrer zuckte mit den Schultern. »Nichts«, antwortete er.
»Felsland. Kein einziges Dorf, keine Behausungen. Eben nichts.«
»Dann bringe uns dort hin.«
»Nein!«
Der Ausruf kam viel zu schnell und überrascht, als dass er überlegt gewesen hätte sein können.
»Warum nicht?«, bohrte Zamorra sofort weiter.
Der Fahrer druckste herum, und erst als Zamorra eine Banknote nach vorne streckte, bequemte er sich verdrossen zu einer Antwort.
»Es ist ein ungutes Gebiet«, sagte er. »Die Menschen hier meiden es.«
»Wieso ungut? Das verstehe ich nicht.«
»Fremde können das auch gar nicht verstehen. Es ist eben ein unheiliger Ort, und Sie können mir Ihr ganzes Geld geben. Ich werde Sie nicht dort hinbringen.«
»Auch nicht in die Nähe?«
»Was wollen Sie dort?«
»Sie sagen mir auch nicht genau, warum Sie nicht hinwollen. Also setzen Sie mich am Rande dieser Gegend ab.«
Der Fahrer überlegte einige Sekunden, bevor er antwortete.
»Aber nur, wenn Sie vorher bezahlen.«
Zamorra war einigermaßen befremdet von dieser Antwort. Nahm der Fahrer an, er würde sie nicht
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