0053 - Der Hexer aus der Todeszelle
Dann wieder kann es im Ritz nicht besser sein.«
Zamorra angelte sich mit dem Fuß einen Sessel und ließ sich rittlings darauf nieder.
»Schon lange hier?« fragte er Cannon.
»’ne Ewigkeit schon.«
»Wie lange noch?«
»Zwei Jahre. Vielleicht lassen sie noch was nach, wenn ich mich gut führe.«
»Das muss erst mal einem von denen auffallen.«
Cannon zuckte die Achseln. »Dann sind es eben noch zwei Jahre.«
»Weshalb hier?« fragte Zamorra.
»Totschlag.« Cannon senkte den Blick.
»Siehst nicht wie ein Schläger aus«, sagte Zamorra.
»Ich bin auch keiner. Es war ein Unfall. Er war mein Freund. Wir waren in ‘ner Kneipe. Hatten ziemlich viel gepichelt. Plötzlich kriegten wir Streit wegen eines Flittchens. Er fing an, mich zu verprügeln. Ich schlug bloß einmal zurück. Er fiel um und brach sich das Genick.« Cannon hob wieder die schmalen Schultern. »So schnell kommt man in den Knast. Und weshalb bist du da?«
»Ebenfalls Totschlag. Ein Autorowdy hat meine Freundin angefahren. Beide Beine gebrochen. Rückgrat verletzt. Der Arzt sagt, sie wird zeitlebens gelähmt bleiben. Ich sah sie auf der Straße liegen. Der Kerl musste an der nächsten Ampel anhalten. Ich hinter ihm her. Konnte ihn einholen, zerrte ihn aus dem Wagen, ehe er weiterfahren konnte. Ich hab’ ihn so lange mit meinen Fäusten bearbeitet, bis er zu Boden ging. Als ich wieder halbwegs bei Sinnen war, sagten mir die Leute, dass der Typ nicht mehr lebte.«
Sie schwiegen eine Weile. Dann fragte Cannon: »Wie sieht’s drau- ßen aus, Zamorra?«
Der Professor lächelte schief. »Schöner als hier drinnen.«
»Du hast verdammtes Pech, dass sie dich ausgerechnet in diese Anstalt eingewiesen haben.«
»Wieso? Eine Anstalt ist so mies wie die andere.«
»Glaubst du an Geister?«
»Nee.«
»Das kommt noch.«
»Hör mal, Leif, willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Absolut nicht. In diesem Knast spukt es.«
Zamorra lachte. »Du denkst wohl, mir kann man alles andrehen, wie? Sehe ich wirklich so blöde aus?«
Cannon hob die Brauen. Ernst sagte er: »Dir wird das Lachen schon noch vergehen, Zamorra. Vielleicht schon in dieser Nacht.«
»Also nun mal raus mit der Sprache, Leif. Tu nicht so geheimnisvoll. Wie macht sich dieser Spuk denn bemerkbar?«
»Man hört jemanden in der leeren Wäscherei stöhnen. Es tropft Blut aus dem Wasserhahn…«
»Das kaufe ich dir nicht ab, Junge.«
»Gestern Nacht wurde ein Mann erwürgt. John Robinson. Er war ganz allein in seiner Zelle. Die Aufseher scheinen ihn röcheln gehört zu haben. Als sie seine Zelle erreichten, war ihm nicht mehr zu helfen.«
Zamorra schüttelte ungläubig den Kopf. »Mensch, du spinnst ja. Wie kann denn ein Mann, der sich allein in ‘ner Zelle befindet, erwürgt werden?«
»Es ist aber passiert, verdammt noch mal!«, zischte Cannon ärgerlich.
»Dann hatte der Mörder ‘nen Nachschlüssel.«
»Der Mörder braucht keinen Nachschlüssel. Der geht nämlich durch Türen, als wären sie nicht vorhanden.«
Zamorra schaute Cannon von der Seite her an. »Sag mal, bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist, Junge?«
»Ich bin nicht verrückt, Zamorra.«
»Soll ja schon vorgekommen sein, dass einer die lange Haftzeit geistig nicht verkraftet hat.«
»Zum Henker, ich bin völlig klar im Schädel! Und ich sage dir, John Robinson war erst der Anfang. Weitere Morde stehen bevor!«
Mit flackernden Augen erzählte Cannon dem Professor nun von Carl Lyman, und dass der Mann ein Hexer gewesen sei. »Irgend jemand«, fuhr er gepresst fort, ohne Zamorra in die Augen zu sehen, »hat Lyman in der Wäscherei erschlagen. Sie haben ihn fortgebracht und begraben. Doch nun ist er zurückgekehrt. Er wird sich die Kerle holen, die ihn kaltgemacht haben. Einen nach dem anderen.«
Zamorra schluckte und spielte den unsicheren, Nervösen. »Du liebe Güte, das kann es doch nicht geben, Leif.«
Cannon seufzte geplagt. »Du wirst dich noch wundern, was es in diesem Gefängnis alles gibt, Zamorra.«
Der Professor witterte, dass er in dieser Zelle genau richtig war. Er drang vorläufig nicht weiter in Cannon. Dafür war es jetzt noch zu früh. Der Junge wäre misstrauisch geworden und hätte ihn mit allen anderen Fragen abblitzen lassen. Das kostbarste Gut war im Moment die Zeit. Sie musste für Zamorra arbeiten.
Cannon sagte: »Noch ‘nen Tipp von mir, Zamorra. Du kannst ihn beherzigen oder auch nicht.«
Der Professor legte die Hand hinters Ohr und sagte: »Ich höre,
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