0053 - Die Geisterhand
Living-room. Linkerton mußte ein Sammler moderner Graphiken sein, denn die Wände waren damit völlig zugedeckt. Die weiße Sitzgruppe stand in der Mitte des Raumes, und der niedrige schwarze Tisch bildete einen hervorragenden Kontrast.
Durch das große Fenster hatten Suko und ich einen fantastischen Blick über Paddington.
»Möchten Sie etwas trinken?«
Wir entschieden uns für Orangensaft mit Eis.
Linkerton nahm einen Sherry.
Er setzte sich uns gegenüber, kreuzte die Beine und führte das Glas an die Lippen.
»Womit kann ich Ihnen dienen, Gentlemen?«
»Wie ich bereits erwähnte, geht es um Ihre Tochter.« Ich steckte meinen Ausweis, den ich ihm zuvor gezeigt hatte, wieder ein. »Sie ist, wie mir bekannt ist, unter recht seltsamen oder mysteriösen Umständen gestorben. Liege ich da richtig?«
»Ja.«
»Sie haben einen Mann engagiert, um den Tod Ihrer Tochter aufzuklären?«
»Genau, Mr. Sinclair. Entschuldigen Sie, aber ich halte die Polizei nicht für wirkungsvoll genug, was sich auch hinterher gezeigt hat. Sie haben einen Selbstmord festgestellt. Mehr nicht. Aber meine Tochter – und das möchte ich vorausschicken – war nicht der Typ, der Selbstmord begeht. Sie war zu agil und liebte Feiern, Partys und das Leben. Da bringt man sich nicht um, Mr. Sinclair. Glauben Sie mir.«
Ich nickte. »Sie denken an Mord.«
»Ja.«
»Und Ted Kronos sollte Ihnen helfen?«
»Genau.« Er lächelte. »Aber woher kennen Sie seinen Namen?«
Ich wich der Frage aus. »Kannten Sie Kronos schon vorher?«
Er hob die Schultern und befeuchtete sich seine Lippen mit Sherry. »Sagen wir mal, ich habe von ihm gehört.«
»Sie wußten also, daß er ein Killer ist!«
Er stellte das Sherryglas weg. »Nein!«
»Wirklich nicht?« Ich traute Linkerton nicht. Er war mir ein zu geriebener Bursche.
Seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Ich weiß nicht, was Sie wissen, Sinclair, und welche Trümpfe Sie noch in der Hinterhand haben, aber ich wußte zumindest im großen und ganzen, welch einem Job Ted Kronos nachging. Er war ein Kopfgeldjäger. Anders war es im Wilden Westen auch nicht, Mr. Sinclair.«
»Vielleicht. Nur leben wir nicht im Wilden Westen. Unsere Zeit hat Gesetze, und die müssen respektiert werden. Kopfgeldjäger damals und heute hatten beziehungsweise haben einen schweren Stand. Sie laufen immer in Gefahr, selbst umgebracht zu werden. Und das hat Ted Kronos hinter sich.«
Linkertons Augen verengten sich. »Moment mal. Wollen Sie damit sagen, daß Kronos…«
»Ja, er ist tot. Man hat ihn erstochen. Hinterrücks. Wir haben nur durch einen Zufall die Leiche entdeckt.«
Linkerton wurde blaß. Er lehnte sich zurück und wischte mit der Hand über sein Gesicht. »Teufel«, sagte er leise.
»Das ist hart, ein regelrechter Hammer.« Er schüttelte den Kopf. »Nie hätte ich damit gerechnet.«
»Es ist nun nicht mehr zu ändern«, erwiderte ich.
Eine Schweigepause entstand. Ich ließ dem Mann erst einmal Zeit, sich zu erholen und zündete mir eine Zigarette an. Linkerton lehnte ein Stäbchen ab.
»Und warum hat man ihn umgebracht?« fragte er schließlich mit leiser Stimme.
»Deswegen sind wir zu Ihnen gekommen«, erwiderte ich. »Wir hoffen, bei Ihnen die Antwort oder wenigstens einen Teil davon zu bekommen.«
»Ich weiß nichts.«
»Aber Kronos war in Ihrem Auftrag unterwegs«, sagte Suko. Er nahm zum erstenmal seit unserer Ankunft an dem Gespräch teil.
»Ja, er sollte den Tod meiner Tochter aufklären.«
»Ist Ihre Frau nicht da?« fragte ich.
»Nein. Wir – wir gehen so ziemlich unsere eigenen Wege. Ich glaube, sie wollte zu einem Konzert. Wann sie zurückkommt, weiß ich nicht. Es interessiert mich auch nicht sonderlich. Wir haben uns auseinandergelebt.« Er atmete tief ein. »Kronos arbeitete etwa seit einer Woche für mich.«
»Haben Sie zwischendurch mit ihm gesprochen?«
Linkerton fischte aus einem Kasten ein Zigarillo. »Ja, wir haben miteinander gesprochen. Vor zwei Tagen noch.«
»Und?«
Peter Linkerton zündete sich das Zigarillo an.
»Was soll ich Ihnen sagen, Mr. Sinclair? Einen Erfolg hat er nicht verbuchen können. Aber wie mir schien, hat er eine Spur gefunden. Eine verrückte – zugegeben, aber…«
»Kommen Sie zur Sache«, unterbrach ich ihn.
»Okay. Die Spur führt zu einem Pianisten, wie er mir sagte. Er hat mir sogar den Namen aufgeschrieben. Moment.« Linkerton stand auf und ging zu einem kleinen Schreibsekretär. Aus der obersten Schublade holte er
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