0054 - Die Schlucht der Vampire
Zamorra.«
Zamorra wollte sich nicht mehr streiten. Er winkte lustlos ab.
»Ach, glauben Sie doch, was Sie wollen.«
Jurinac blies sich auf. »Ich werde verhindern, daß Sie an diesem Jungen einen grausamen, kaltblütigen Mord begehen?«
Zamorra kniff die Augen gereizt zusammen. »Verdammt, Jurinac, ich rate Ihnen, gehen Sie mir aus dem Weg. Lassen Sie mich meine verdammt Arbeit tun!«
»Es ist Mord!«
»Es ist die Erlösung für Holm!«
»Mord ist es und bleibt es. Und ich werde nicht tatenlos zusehen…«
»Teufel noch mal, wieso begreifen Sie denn nicht, daß das hier nicht mehr jener sympathische Junge ist, den wir alle gemocht haben? Robert Holm trägt die Infektion des Bösen in sich! Seine Seele wird erst dann Frieden finden, wenn ich ihm diesen Pfahl durchs Herz gestoßen habe! Tu’ ich’s nicht, wird er sich von unserem Blut ernähren, und wir werden alle solche Bestien werden wie er! Möchten Sie das, Modest Jurinac? Möchten Sie tatsächlich auch ein Vampir werden? Ein Untoter, der ruhelos durch die Nacht streicht, auf der Suche nach einem Opfer…«
Es gelang Zamorra schließlich, Jurinac von der Wichtigkeit seines Tuns zu überzeugen.
Der Professor schickte alle weg.
Keiner sollte ihm dabei zusehen. Als sie ihn mit dem Deutschen allein gelassen hatten, seufzte Zamorra: »Es tut mir furchtbar leid, mein Junge, daß es so kommen mußte. Wir sind in dieser kurzen Zeit, die wir zusammen in der grünen Hölle verbrachten, gute Kameraden geworden. Deshalb werde ich dir diesen letzten Dienst erweisen. Obgleich es mir schrecklich schwerfällt und mir das Herz bricht.«
Mit zusammengepreßten Kiefern setzte er den Pfahl an.
Kaum war Holm tot, da entspannten sich seine Züge. Und die schrecklichen Eckzähne bildeten sich Augenblicke später wieder zurück.
Er hatte seinen Frieden gefunden.
***
Plötzlich fiel es Zamorra wie Schuppen von den Augen. Unbewußt hatte sein Geist mit Puzzlesteinchen gespielt, mit denen er lange Zeit nichts hatte anfangen können. Doch nun paßten die Teilchen haargenau zusammen. Ein Bild war entstanden.
Mit einemmal kannte sich Zamorra haarklein aus.
Dobson! Tony Dobson! Hier rundete sich das Bild ab. Der Engländer war zurückgeblieben und Opfer eines Vampirs geworden. Deshalb sah er auch so schrecklich blaß und schwach aus.
Dobson! Ein Opfer des Vampirs! Dadurch selbst zum Vampir geworden!
Seine Gier nach Blut hatte ihn hinter ihnen hergetrieben. Er hatte Carmen nicht geküßt, wie Holm angenommen hatte, sondern er hatte sie in den Hals gebissen und ihr Blut getrunken. Niemand hatte es gemerkt, und Carmen hatte geschwiegen, weil sich die Opfer von Vampiren im allgemeinen nach dem Tod sehnen wie die Süchtigen nach Rauschgift. Und Carmen – mittlerweile ebenfalls zum Vampir geworden – hatte an diesem Abend ihren Verlobten angefallen…
Hier schloß sich der Kreis.
Dobson!
Zamorra mußte sich den Burschen kaufen, bevor er noch mehr Unheil anrichten konnte. Er eilte zu den anderen. »Wo ist Dobson?« fragte er schneidend.
Einer schaute den anderen an. Keiner wußte, wo Tony Dobson steckte. Jeder schüttelte den Kopf und zuckte die Achseln. Zamorra erklärte den Leuten die gefährlichen Zusammenhänge, und daß sie so lange nicht in Sicherheit waren, solange Tony Dobson in ihrer Mitte weilte oder irgendwo um sie herumschlich.
Langsam stellten sich alle auf die drohende Gefahr ein, es gab keine Zweifler mehr. Auch Modest Jurinac begann das Schreckliche zu akzeptieren.
Es gab Vampire!
Und sie befanden sich alle in einer tödlichen Gefahr, solange Dobson noch am Leben war.
Zamorra befahl den Männern, recht seltsame Waffen zu basteln: Ein hölzernes Kreuz und ein Pfahl mit schlanker Spitze. Hinterher machten sie sich – solcherart bewaffnet – auf die Suche nach Dobson. Zamorra war sicher, daß er sich nicht allzuweit in den Wald zurückgezogen hatte. Er war gierig, wollte Blut haben. Deshalb würde er immer in ihrer Nähe bleiben!
Der Parapsychologe schärfte allen Männern ein, sich niemals von ihrem hölzernen Kreuz zu trennen.
Solange sie damit bewaffnet waren, konnte ihnen Dobson nichts anhaben, doch wehe, wenn sie es weglegten oder verloren. Dann konnte ihnen keine Macht dieser Welt mehr helfen.
Diese Worte genügten. Fest prägte sich der Wille der Männer in ihre Gesichter.
Suchend durchkämmten sie den Wald.
Zamorras Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Er hörte die Schritte der anderen, wie sie durch das Unterholz streiften. Er
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