0055 - Die Nacht der gelben Kutten
geschickt, damit du dich unter seinen Schutz stellst. Wie heißt du, und wo wohnst du?«
»Ich bin Manika vom Stamme der Rajas«, sagte das Mädchen arglos. Und Batak tat so, als höre er den Namen zum erstenmal. »Ich muß hinunter nach Mihintale«, fuhr sie fort. »Mein Vater wohnt nicht weit hinter der Stadt mit den Tempeln.«
»Nun, beim Geist des Erhabenen!« rief Batak aus. »Da trifft sich sehr gut, Manika. Ich biete dir meine Begleitung und meinen Schutz an. Du kannst dich mir anvertrauen, denn ich stehe im Schutze des Buddhas. Da ich die Heiligen Stufen besuchen will, haben wir denselben Weg. Ich werde dich führen und schützen, und kein Geist und kein Dämon wird dir etwas anhaben, solange ich bei dir bin.«
***
Eine Stunde später waren sie unterwegs. Nur mühsam gelang es Batak, seinen Triumph zu unterdrücken. Sein Plan war gelungen. Er hatte das Mädchen aufgespürt, nach dem sein großer Herrscher lechzte und das er zu seiner Lieblingssklavin machen wollte.
Unterwegs machten sie Rast. Manika war von Anfang an weder schüchtern noch mißtrauisch gewesen. Sie redete über ihre Familie und über die Plantagen, und sie merkte nicht, wie Batak sie mit den Blicken verschlang. Nach einem halben Tagesmarsch erreichten sie die Stelle, wo der Waldpfad sich teilte. Der linke Weg führte ziemlich steil hinunter zum Ganga, dem großen Fluß. Der rechte Weg war außer Batak nur wenigen bekannt.
Der Schacher des Großen Shuri zeigte auf ein paar bunte Vögel, die sich im Sonnenschein ihr üppiges, strahlendes Gefieder putzten.
»Sieh«, sagte er. »Wie herrlich die Tiere des Waldes sind. Mach deine Augen auf und erkenne die Schönheit der Welt. Wer so schön ist wie du, muß auch die anderen Schönheiten erleben können.«
»Wie meint ihr das?« fragte Manika. Aber ihr Mißtrauen war noch immer nicht erwacht. Sie meinte, der Mönch spreche von ihrer Schönheit wie von der Schönheit der Natur und der Tiere.
Batak antwortete nicht gleich. Er ging dem Mädchen voran, ohne sich umzusehen.
»Müssen wir nicht hier hinunter, den linken Pfad, der zum Fluß führt?« fragte sie schließlich und blieb stehen.
Batak wandte sich nach ihr um. »Nein«, sagte er. »Das ist ein Umweg. Ich kenne einen kürzeren Pfad, der außerdem viel schöner ist. Er führt an einem Wasserfall vorbei. Den möchte ich dir gern zeigen. Dort wachsen tausende von Orchideen und Papageienblumen. Soviel Schönheit auf einer Stelle hast du noch nie gesehen, junges Mädchen. Soll ich dir den Wasserfall zeigen?«
»Wenn es kein Umweg ist«, sagte Manika.
»Ich bin den Weg oft gegangen«, sagte Batak und ging weiter. Da war das Mädchen überzeugt und folgte ihm.
Der Orchideenwald begann schon nach zehn Wegminuten. Und mit jedem Schritt, den Manika tat, schien ihr die Farbenpracht größer zu werden. Dann bat sie um eine kurze Rast.
Batak zeigte nach vorn und sagte: »Wenn du noch zwei Minuten aushältst, kannst du den Wasserfall sehen. Dort sind die schönsten Blumen der Welt.«
Da folgte ihm Manika wieder. Sie konnte das Rauschen der fallenden Wasser schon hören, obwohl sie von einer mächtigen Felsplatte verdeckt wurden.
Dann machte der Weg eine Biegung, und Manika traute ihren Augen nicht.
Meterhoch über ihr hingen wie bunte Lampions die weit geöffneten Blüten der Orchideen in dichter Pracht. Wie auf eine endlose Kette gereiht. Und die prächtigen Blüten zogen sich über Lianen und Wurzelwerk und um Baumstämme herum bis hinüber ans Ufer des Wasserfalls, der sich dröhnend in die Tiefe stürzte.
Ergriffen nahm sie Bataks Hand.
»Ich danke dir, daß du mir diese herrliche Gegend zeigst«, sagte sie.
»Ich zeige dir noch mehr, Manika«, sagte Batak, setzte sich ins hohe Gras und öffnete das Leinentuch, das Manika ihm gegeben hatte.
»Wir wollen etwas essen und uns kräftigen«, schlug er vor. »Weit ist es dann nicht mehr.«
»Was willst du mir noch zeigen?« sagte Manika. Sie merkte nicht, daß sie von der respektvollen Anrede ins vertrauliche ›Du‹ gekommen war.
»Drei Dinge«, sagte Batak geheimnisvoll. »Iß etwas, dann brechen wir wieder auf.«
Manika wurde ungeduldig. Sie aß eine Mangofrucht und etwas von einem Reiskuchen. Dann erhob sie sich.
»Was zeigst du mir zuerst?« fragte sie.
»Die Hängebrücke«, sagte Batak.
»Hier gibt es eine Hängebrücke?« fragte Manika ungläubig. »Du willst dir einen Scherz mit mir machen, Mönch Buddhas.«
»Nein, Mädchen. Ich kenne die Brücke seit langem. Sie liegt
Weitere Kostenlose Bücher