0055 - Todeszone London
nicht vorgedrungen war.
Aber Nicole sah sie bereits vor den Schaufensterscheiben, so daß sie da auch nicht entkommen konnten.
Langsam schwand ihre Hoffnung, überhaupt noch aus diesem Teufelsrevier zu fliehen. Die Pflanzen hatten alles buchstäblich abgeriegelt. Es war aus…
Sie stiegen über einen umgefallenen Zeitungsständer hinweg, sahen links die Telefonboxen, und da hatte Nicole eine Idee.
»Moment mal«, sagte sie zu Maggie und lief auf die nächste Zelle zu.
Zamorras Nummer kannte sie auswendig. Er hinterließ immer seine Rufnummer, wenn er und Nicole sich für eine Weile trennten.
Nicole Duval klemmte den Hörer an ihr Ohr, doch sie bekam keine Verbindung.
Die Leitung war tot…
Resigniert schritt die junge Französin wieder zurück. »Es geht nicht«, sagte sie zu Maggie.
»Wenn ich nur wüßte, wo die anderen geblieben sind. Ob sie es alle geschafft haben, rechtzeitig zu fliehen?«
»Keine Ahnung.« Nicole schaute nach vorn und sah am Ende der Ladenstraße plötzlich eine Bewegung.
Da war ein Mensch!
»Hallo!« rief Nicole. »Mister, bleiben Sie…«
Der Mann, der eben wieder verschwinden wollte, blieb stehen. Allerdings in lauernder Haltung, um rasch wieder fliehen zu können.
So schnell es ging, hasteten Nicole und Maggie auf den Mann zu. Er war ein Bediensteter des Hotels, trug den Frack eines Obers, und Nicole las in seinen Blicken Angst.
»Wo kommen Sie denn her?« fragte der etwa fünfzigjährige Mann erstaunt.
»Wir waren noch oben«, erklärte Nicole.
»Sie haben es tatsächlich geschafft?«
»Das sehen Sie doch.« Nicole hatte es eilig, denn als sie einen Blick über die Schulter warf, sah sie schon am Beginn der Ladenstraße den ersten Pflanzenableger herankriechen. »Wo sind die anderen Gäste?« fragte sie.
»Im Keller!«
»Sie haben sich retten können?«
Der Ober lachte bitter. »Was heißt hier retten, Madam? Es ist wahrscheinlich nur ein Aufschub. Der Keller hat Stahltüren, und bis die von den Pflanzen aufgedrückt worden sind, dauert es eine Zeit.«
»Bis dahin ist vielleicht Rettung eingetroffen«, hoffte Nicole Duval.
Der Mann schaute sie an wie eine Geisteskranke. »Rettung? Wer sollte uns denn hier herausholen? Die Leute kommen doch nicht durch den Wall. Und die Verbindungen nach draußen sind unterbrochen. Kein Telefon, kein Licht, nichts.«
»Und im Keller?« fragte Maggie Prince.
»Wir haben Kerzen, Madam.«
»Gut, dann wollen wir nicht länger warten«, sagte Nicole entschlossen. »Lassen Sie uns mitgehen.«
»Bitte, wenn Sie wollen. Aber es ist nur ein Aufschub.«
»Abwarten.« Nicole war da optimistischer. Sie hatte schon des öfteren in Situationen gesteckt, die hoffnungslos aussahen, doch es hatte noch immer eine Rettung gegeben. Der Mann ging vor.
Am Ende der Ladenstraße bogen sie rechts um die Ecke und erreichten dann eine Tür aus Stahl. Sie war beschriftet.
FÜR UNBEFUGTE KEIN ZUTRITT.
»Das ist einer unserer Wege in den Keller und ins Proviantlager«, erklärte der Ober.
Nicole Duval lächelte. »Dann brauchen wir also nicht zu verhungern.«
»Nein, das bestimmt nicht.« Der Ober öffnete die Tür. »Bitte sehr«, sagte er, »aber geben Sie acht.«
»Ja, danke.« Nicole schritt über die Schwelle. Schon hier oben vernahm sie die Stimmen der Hotelgäste. Auf jeder zweiten Stufe stand eine brennende Kerze. Sie war mit Wachs am Boden festgeklebt. Durch den Windzug begannen die Kerzen zu flackern und zauberten gespenstische Schattenfiguren an die kahlen Betonwände.
Hinter sich vernahm Nicole die Schritte der anderen. Zwei Männer nahmen sie unten in Empfang.
»Sie waren noch oben?« wurde sie gefragt.
»Ja.«
Plötzlich war Nicole Duval von Neugierigen umringt.
»Und? Sagen Sie, wie sieht es dort aus? Haben wir noch eine Chance? Reden Sie doch, mein Gott!«
Die Fragen stürmten auf Nicole ein, und sie konnte sie gar nicht so rasch beantworten. Als sie dann die Wahrheit sagte, waren die Menschen noch deprimierter.
Die junge Französin wußte auch nicht mehr, wie sie die Leute aufmuntern sollte, denn auch sie brauchte Trost. Inzwischen waren Maggie Prince und der Ober eingetroffen. Er führte die beiden Frauen tiefer in den Keller hinein. Es gab zahlreiche Vorratsräume, viele Gänge und Eisentüren.
Im größten Raum hatten sich die Gäste versammelt. Sie saßen auf am Boden liegenden Decken. Zwischen ihnen standen die brennenden Kerzen. Wenn die Situation nicht so ernst gewesen wäre, hätte man sie fast als gemütlich bezeichnen
Weitere Kostenlose Bücher