0056 - Der Mörder stand neben uns
verziehen:
»Selbstverständlich, Sir!«
»Gut.«
Der Major drückte mir, nachdem er derart die Form gewahrt hatte, die Flasche selber in die Hand. Er setzte sich zu mir auf die Bettkarjte und sagte:
»Cotton, ich spreche jetzt gewissermaßen privat zu Ihnen. Glauben Sie nicht, daß mir das alles gefällt? Seit Sie hier in der Kompanie sind, häufen sich die Schwierigkeiten, Das kann an Ihnen liegen, das kann auch Zufall sein.«
Er machte eine Pause, dann fuhr er fort:
»Aber ich halte Sie nicht für dumm! Und Sie wären mehr als dumm, wenn Sie zuerst einen Rekruten mißhandelten, dann leichtsinnig Rauschgiftzigaretten in Ihrem Spind liegen ließen und schließlich sogar mit Ihrem eigenen Bajonett Ihren Zimmerkameraden umbrächten. Das wäre so dumm, daß es schon beinahe unmöglich ist.«
»Es war auch nicht so«, sagte ich.
»Sondern? Wie war es dann?«
Ich erzählte ihm die Geschichte.
»Das klingt so fürchterlich«, sagte er gepreßt, »daß sich mein Kopf weigert, es zu glauben. Aber wir werden dieser Sache auf den Grund gehen, Cotton. Das schwöre ich Ihnen bei allem, was mir heilig ist!«
Er stand auf und sagte:
»Lassen Sie den Rekruten Cotton hinab in die Halle bringen, Doc. Stellen Sie die Bahre auf, daß sie dicht unter der Lampe steht.«
»Okay, Sir.«
Die Krankenträger betteten mich vorsichtig um. Als sich die anderen beiden an Lansman heranmachen wollten, befahl der Major:
»Halt! Nicht anfassen!«
Das war vernünftig von ihm. Er sollte am besten eine Mordkommission rufen. Die konnte vielleicht irgendwelche Spuren sichern, die von Bedeutung waren.
Die beiden Sanitäter lotsten mich auf der Bahre hinab in die Halle. Dort war inzwischen die Kompanie in einzelnen Gliedern, die weit auseinander standen, angetreten. Die Zugführer meldeten dem Wachoffizier.
Meine Bahre wurde direkt unter die Lampe gestellt, die von der Decke herabhing. Der Major stellte sich neben mich und rief:
»Wache!«
Die zehn Soldaten liefen herbei. Der Corporal stellte sich an ihre Spitze. Der Major nickte. Sein Gesicht war hart und glich einer metallenen Büste.
»Die Zugführer lassen ihre Züge langsam an der B'ahre des Rekruten Cotton vorbeimarschieren!« befahl der Major.
Seine Stimme klang schneidend. Man konnte ins Frieren kommen, wenn man sie hörte Der Zauber ging los. Schon nach dem dritten Gesicht, wußte ich, worauf die Sache hinauslaufen würde. Beinahe jeder zweite Mann hatte ein arg demoliertes Gesicht.
Trotzdem achtete ich genau auf meine Leute.
»Dieser!« sagte ich.
»Treten Sie aus der Reihe! Sie stehen unter Wachbegleitung!« sagte der Major starr zu dem Mann.
Die ganze Prozedur dauerte eine knappe halbe Stunde. Dann hatte ich meine sechs Mann herausgefunden.
Aber außer diesen sechs hatten noch ungefähr zwanzig andere demolierte Gesichter. Die Brüder hatten es verdammt raffiniert angefangen. Jetzt kam es nur noch darauf an, daß sie auch alles andere bedacht hatten.
Die Züge standen jetzt wieder in langen Reihen angetreten.. Der Major wandte sich an die sechs Mann.
»Ist Ihnen klar, warum Sie aus Ihren Einheiten herauszutreten hatten,« fragte er.
»Nein, Sir!« brüllten sie im Chor.
Der Major blieb beherrscht und eisig.
»Der Rekrut Cotton, der heute nacht in seinem Zimmer schwer mißhandelt wurde, erhebt gegen Sie die 'Anschuldigung, daß Sie diejenigen gewesen wären, die diese Kameradenmißhandlung ausgeführt hätten. Außerdem behauptet er, daß Sie die Mörder des Rekruten Lansman seien!«
Diese ruhig, aber eiskalt gesprochenen Worte hallten schneidend durch die hohe Halle. Man spürte förmlich, wie sich eine knisternde Spannung ausbreitete.
»Was haben Sie zu diesen fürchterlichen Anschuldigungen zu sagen?«
Einen Augenblick rührte sich nichts. Dann trat der Boxer vor und sagte:
»Sir, das muß ein Irrtum des Rekruten Cotton sein! Wir — jedenfalls ich — habe mein Zimmer seit gestern abend zehn Uhr nicht verlassen. Mein Zimmerkamerad müßte es bestätigen können.«
»Meiner auch.«
»Meiner auch!«
Alle sechs behaupteten, sie hätten ihr Zimmer seit gestern abend zehn Uhr nicht verlassen.
Der Major ließ die entsprechenden Zimmergenossen vortreten. Er fragte jeden einzeln. Jeder erwiderte mit fester Stimme, daß er es für unmöglich hielte, daß sein Zimmerkollege während der Nacht den Raum verlassen haben könnte.
»Wollen Sie etwa sagen, daß Sie die ganze Nacht nicht geschlafen haben, nur um ihrem Zimmerkameraden ein einwandfreies Alibi zu
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