0056 - Der Mörder stand neben uns

kurzen Blick auf Lansman.
    »Da ist nichts mehr zu machen«, sagte er.
    Dann kam er zu mir.
    »Teufel, Teufel«, murmelte er. »Dagegen war ja die Behandlung von Decker geradezu eine Erholung. Na, lassen Sie mal sehen.«
    Er machte einige Sachen mit mir, daß ich ein paarmal wie ein gezeichneter Stier brüllte. Dann ließ er endlich von mir ab, stand auf, fuhr sich in seine Gesäßtasche und brachte eine kleine, gewölbte Reiseflasche Whisky zum Vorschein. Mir gingen die Augen über, als ich das sah
    »Whisky!« seufzte ich glücklich.
    »Irrtum!« grinste der Doc. »Medizin! Ärztlich verordnet! Da nehmen Sie einen kräftigen Schluck, damit Sie erst mal ein bißchen aufgepulvert werden.«
    Ich ließ es mir nicht zweimal sagen. Der köstliche Stoff lief wie flüssiges Feuer durch meine Kehle. Als ich die Flasche wieder absetzte, war sie halbleer.
    »Sie sind'n niedlicher Junge«, brummte der Doc. »Säuft mir meine halbe Medizin in einem Zug aus! Aber Sie sind trotzdem ein niedlicher Junge. Sie müssen einen Schädel aus Stahl, Muskeln aus Eisen und Nerven wie Drahtseile haben, daß Sie die Behandlung überhaupt überstellen konnten.«
    »Ich habe die anderen aber auch behandelt«, sagte ich. »Und nicht schlecht. Beim Antreten heute früh werden wir wissen, wer das hier war!«
    Der Corporal trat näher.
    »Wieso, Cotton?«
    Ich richtete mich zu einer sitzenden Stellung auf. Daß ich dabei wieder stöhnte, begriff jeder, der mich ansah.
    »Ganz so schlimm wie ich wird natürlich keiner aussehen«, sagte ich. »Aber genug Spuren von meinen Fäusten werden wir sehen können, um zu wissen, wer heute nacht hier drin war.«
    »Großartig«, sagte der Corporal. »Großartig, Cotton. Sie sind tatsächlich ein toller Hecht!«
    Er wollte mir auf die Schulter klopfen, aber in diesem Augenblick kam der Major von unserer Kompanie herein.
    »Achtung!« schrie der Corporal.
    Die Krankenträger, der Arzt und der Corporal standen stramm.
    »Rühren«, sagte der Major. Er war vollständig angezogen. Wie er das in der kurzen Zeit geschafft hatte, war mir ein Rätsel.
    Er blickte lange Zeit stumm auf Lansman.
    Dann kam er an mein Bett und musterte mich vom Kopf bis zu den Zehen.
    Schließlich drehte er sich um und bückte sich. Als er sich wieder aufgerichtet hatte, sah ich, daß er ein blutübersudeltes Bajonett in der Hand hielt.
    »Ihres, Cotton?« fragte er leise.
    Ich überlegte blitzschnell. Dann verstand ich. Das war die tollste Schweinerei, die mir je angehängt worden war.
    »Lassen Sie bitte in meinem Spind nachsehen, Sir«, sagte ich mit einer Stimme, die vor lauter Aufregung heiser war. »Ich weiß es nicht.«
    »Sehen Sie nach, Corporal!«
    »Zu Befehl, Sir!«
    Eine Minute verging in gespanntem Schweigen. Keiner bewegte sich. Dann kam der Corporal vom Spind zurück und sagte:
    »Das Bajonett ist nicht im Spind, Sir!«
    Ich atmete tief aus.
    Der Major sah das blutübersudelte Bajonett an, dann mich, schließlich wieder die Mordwaffe. Nach einer ganzen Weile erst erklärte er mit fester Stimme:
    »Das habe ich erwartet. Dieses Bajonett gehört also Ihnen, Rekrut Cotton! Und es ist das Bajonett, mit dem zweifellos der Rekrut Lansman ermordet wurde!«
    Man hätte eine Stecknadel niederfallen hören können, so still war es auf einmal in unserer Zelle.
    ***
    Plötzich drehte sich der Major um und sagte zu dem Corporal:
    »Lassen Sie sofort Alarm für die ganze dritte Kompanie geben! In zehn Minuten steht die ganze Kompanie in einzelnen Gliedern unten in der Halle angetretenl«
    »Zu Befehl, Sir!«
    Der Corporal lief hinaus. Kurz darauf hörte ich unten in der Halle den Hornisten zuerst Wecken und dann Sammeln blasen. Im ganzen Hause wurde es schlagartig lebendig.
    »Kann ich mich mit dem Rekruten Cotton ein paar Minuten lang unterhalten?« wandte sich der Major fragend an den Arzt.
    Der Doc zuckte die Achseln.
    »Ich habe keine ernstlichen inneren Verletzungen feststellen können bis auf eine schwere Gehirnerschütterung. Wenn er ruhig liegt, wird es nicht allzu viel schaden, daß er ein paar Worte spricht. Allerdings würde ich empfehlen, ihn hin und wieder davon einen Schluck nehmen zu lassen.«
    Der Doc deutete auf die Whiskyflasche. Es bestand ein striktes Verbot, ins College irgendein alkoholhaltiges Getränk einzuschmuggeln, aber der Major sah unbewegten Gesichtes auf die Whiskyflasche und sagte mit ernster Stimme:
    »Das ist eine Medizin, nehme ich an?«
    Der Doc erwiderte militärisch knapp, ohne eine Miene zu