0056 - Die Teufelshöhle
pikantes Aroma. Currypflanzen und Fenchel, Basilikum und Knoblauch, Nelken und Zimt wetteiferten miteinander.
Und in den kleinen Seitentälern schossen die Arrakpflanzen ins Kraut, üppig wucherten und wuchsen sie heran, um bald zu dem hochprozentigen Getränk vergoren zu werden.
Kautschukwälder wechselten mit Teeplantagen. Kokospalmen bildeten große Wälder wie die dunkelgrünen Palmyrapalmen.
Und dann das einmalig helle Grün der Reisfelder! Sie zogen sich überall auf den Hängen dahin, wo die Wälder gerodet waren.
Unübertrefflich aber waren die tausend Arten der Orchideen. In vielen hundert Formen und Farben hätten sie den normalen Touristen stundenlang aufgehalten und sich in ihrer nicht zu überbietenden Fülle und Pracht bewundern lassen.
Das war Sri Lanka. Das leuchtende Land. Die Löweninsel, die Insel der Juwelen.
Das war die paradiesische Insel Ceylon. Fremdartiger und faszinierender als viele Inseln, deren exotische Namen zu allen Zeiten viele Weltenbummler und Abenteurer angezogen hatten. Ceylon, eine Insel von unglaublicher Schönheit, für den Europäer viel schneller zu erreichen als viele der karibischen Inseln oder Eilande in der Südsee.
Es war unvorstellbar, dass inmitten dieses üppigen Paradieses, inmitten der verschwenderischen Pracht der Natur, dämonische Wesen hausten, dass Gier und Rache gedeihen konnten, dass eine Schar von bösartigen Geistern und Menschen einen Teil des Landes in Furcht und Schrecken versetzten.
Aber Zamorra und Shandri hatten ihre Heimtücke kennen gelernt.
Sie wussten um die tödliche Gefahr, die von den Shuris und den Gelben Furien ausging. Sie hatten die Angst in den Gesichtern der Menschen gesehen. Sie hatten erlebt, wie Eltern ihre heranwachsenden Töchter versteckten, damit sie nicht in die Klauen der Shuris gelangten.
Zamorra und Shandri hatten keine Augen für die Schönheiten der Landschaft.
Sie hatten ihre Aufgaben. Sie verfolgten ein unausweichliches Ziel.
Während des Anstiegs sprachen sie kaum miteinander.
Abgesehen von Nicole Duval, hatte Zamorra selten einen Menschen als Mitarbeiter neben sich gehabt, der so spontan die Pläne und Absichten des Professors erfasste.
Und Zamorra dachte nach.
Die Gelben Furien waren so gut wie ausgeschaltet. Batak und Bahili waren tot. Fünf der Furien hatten sie eben an die Beamten als Gefangene übergeben.
Nach Nicoles Aussage blieben also nur noch fünf der Furien übrig.
Vier Frauen und ein Mann.
Es galt zunächst, diesen letzten unschädlich zu machen.
***
Zamorra und Shandri erreichten den Wasserfall. Sie nahmen den Pfad um den Felsen, der sie an die höchste Stelle brachte.
Dann hatten sie die Hängebrücke vor sich. Niemand hielt sie auf, als sie die Brücke überquerten.
Dann schlüpfte Shandri in die gelbe Kutte des Anführers Tivu. Er setzte sich die gelbe Kapuze auf, dann legte er die gelbe Maske an, die ihn vollends unkenntlich machte.
Seine Kunst, die Stimmen von Tieren und Menschen zu imitieren, sollte das übrige tun.
Zamorra ließ sich eine Probe davor vorführen.
Und Shandris Stimme setzte an zu einem krächzenden, heiseren Tonfall, genau, wie Tivus Stimme klang. Es war täuschend ähnlich.
Niemand würde vermuten, dass sich unter dieser Kutte ein anderer als der Anführer Tivu verbarg. Niemand, der Tivus heisere, kehlige Stimme kannte, würde eine Täuschung vermuten können.
Dann begann das neue Manöver.
Sie mussten damit rechnen, dass ein paar Minuten vergehen würden, bis das riesige Tor sich öffnete.
Dann verbarg sich Zamorra am Rande des Felsplateaus im Gebüsch. Er wählte eine Stelle, dass er auch nach dem Öffnen des Tores nicht entdeckt werden konnte.
Shandri schlug mit den Fäusten kräftig gegen das Tor.
»Öffnet mir!«, rief er auf Singhalesisch, in der Sprache der Shuris.
Nichts geschah, nichts rührte sich.
Wieder schlugen Shandris Fäuste gegen das mächtige Portal.
Nach etwa zwei Minuten hörte er drinnen Schritte. Jemand kam den langen Gang hinunter.
»Lasst mich hinein!«, rief Shandri mit Tivus Stimme.
»Bist du Tivu, der Anführer?«, wurde von drinnen gefragt.
»Wer denn sonst?«, rief Shandri zurück.
»Lass mich das Zeichen sehen!«, brüllte der Mann im Gang drinnen.
Shandri drehte sich so, dass man von innen das große ›T‹ auf seinem Rücken erkennen konnte.
Es musste also ein geheimes Guckloch in der Felsentür geben. Zamorra und Shandri hatten noch nichts davon gewusst oder gehört.
»Es ist gut«, rief die Stimme im Gang.
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