0058 - Meer der mordenden Hände
Schiffbrüchigen nur wenig Chancen, zu überleben«, sagte der Professor.
Er untersuchte den japanischen Fischkutter, der die Bezeichnung 10, NOSHEMI MARU, K 30 trug. Kein Toter. Kein Skelett. Die japanische Besatzung schien gerettet worden zu sein.
»Vielleicht haben sie sich ein Floß gebaut«, sagte Nicole Duval.
Quentin Paris schüttelte den Kopf. »Es hat keinen Sinn, ein Floß zu bauen und zu hoffen, ein günstiger Wind würde kommen und einen nach Tonga oder einem anderen bewohnten Erdenfleck bringen, denn man riskiert, selbst wenn das Floß hält, erst in einem oder in zwei Jahren an eine menschenleere südostasiatische oder südamerikanische Küste gespült zu werden, falls man nicht das außerordentliche Glück hätte, auf eine der wenigen in der Windrichtung liegenden Inseln zu stoßen, die in diesem unendlichen Wasserteppich jedoch für Stecknadelköpfe zu halten sind.«
Nicole schaute mit schmalen Augen auf die endlose Weite des Ozeans hinaus. Paris hatte recht. Dies hier war ein unendlicher Wasserteppich.
Sie kehrten zum Kajütkreuzer zurück. Zamorra setzte sich. Nicole suchte den Schatten auf.
»Was meinen Sie, Quentin«, sagte der Professor, »ob wir mit unserer privaten Suchaktion Erfolg haben werden?«
Der Mann von der Wetterstation zuckte mit den Achseln. »Unsere Chancen sind nicht sehr groß, das muss ich leider zugeben.«
»Wir werden trotzdem nicht so bald aufgeben!«, sagte Zamorra verbissen.
Paris steuerte das Boot in weitem Bogen um das Atoll herum. Er musste höllisch Acht geben. Dicht unter der Wasseroberfläche gab es unzählige messerscharfe Korallenriffe, die den Rumpf eines Motorbootes aufschlitzen konnten, als bestünde er aus weichem Pappkarton.
»Soll ich Sie ablösen?«, fragte Zamorra nach einer Weile.
»Ich hätte nichts dagegen«, sagte Paris. Er überließ dem Professor das Steuer.
»Wie lange leben Sie schon auf Tonga?«, wollte Zamorra wissen.
Quentin Paris dachte kurz nach. »Demnächst werden es zehn Jahre. Davor war ich eine Zeitlang in Greenwich. Ich wollte mal eine Größe auf dem Gebiet der Meteorologie und Geodynamik werden. Eines Tages sagte ein Freund von mir, er würde nach Tonga gehen, ich solle doch mitkommen. Ich kam mit. Der Freund bekam hier das Fleckenfieber und flog nach einem Jahr schon wieder nach England zurück. Ich blieb. Und ich bin heute noch hier.«
»Gibt es irgendwelche Dämonen, vor denen sich die Eingeborenen fürchten?«, erkundigte sich Zamorra.
Paris schaute ihn erstaunt an. »Wieso fragen Sie das, Professor?«
»Die Naturvölker auf der ganzen Welt haben Angst vor irgendwelchen Dämonen.«
»Hier gibt es auch einen«, sagte Paris mit belegter Stimme. »Als vernunftbetonter Mensch lehne ich diese Geschichte zwar glattweg ab, aber mein Unterbewusstsein sagt mir, dass ich damit nicht richtig handle. Der Dämon, vor dem sich die Tonganer fürchten, heißt Vihambata. Soll ein verdammt grausamer Bursche sein, wenn ich mich so hemdsärmelig ausdrücken darf. Keiner redet gern über ihn. Ehrlich gesagt, ich auch nicht, obwohl sich alles in mir dagegen sträubt, zu akzeptieren, dass es ihn tatsächlich gibt.«
»Was erzählen die Eingeborenen über ihn?«, fragte Zamorra.
Paris hob die Schultern. »Erst mal, dass er unter dem Meer lebt. Klar. Wenn man auf einer Insel lebt und immer das Meer vor sich hat, wenn dann ab und zu einer von seiner Fahrt nicht mehr nach Hause kommt, dann muss das Böse auf dem Meer oder darunter wohnen. Vihambata soll sich laufend Schiffe samt Besatzung holen.«
»Und was macht er mit den Menschen?«
»Keine Ahnung. Es ist von da ja noch keiner zurückgekommen«, sagte Paris.
»Chef!«, rief Nicole plötzlich aufgeregt aus. »Chef!« Sie beugte sich weit über die Reling und wies auf das Wasser.
Eine riesige Ölfläche schaukelte auf der Meeresoberfläche. Sie schillerte in allen Farben.
»Was sagen Sie dazu, Quentin?«, fragte Professor Zamorra.
Paris nickte. »Das könnte die Absturzstelle sein. Vorausgesetzt, dass Alains Vogel tatsächlich baden gegangen ist.«
Zamorra sah sich um. »Hier gibt es eine Menge Riffe. Was hätten Sie getan, wenn Sie den Absturz überlebt hätten, Quentin?«
»Ich wäre auf ein Riff geklettert und hätte darauf gewartet, dass mich jemand findet.«
»Kann das heißen, dass Alain Rich und Jodie Wofford den Absturz nicht überlebt haben?«, fragte Nicole Duval besorgt.
»Erst mal umsehen«, sagte Zamorra. Er manövrierte den Kajütkreuzer von Riff zu Riff.
»Da!«,
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