0060 - Das Kastell der Toten
fest und starrte auf die unvollständige Fratze, die vor ihm auf dem Boden lag. Das Monster hatte quellende Froschaugen, ein zähnestarrendes Maul. Außerdem musste es mit Schuppen bedeckt gewesen sein. Zamorra erinnerte das Gebilde an einen Frosch.
»Schnell, Bill, raus hier, komm!«, mahnte Zamorra zur Eile. Er wusste, dass ihn sein sechster Sinn auch diesmal nicht getäuscht hatte.
Plötzlich bildeten sich Blutstropfen am Boden, gerade dort, wo die Scherben lagen. Sie schienen daraus zu kommen.
Bill trat mit beiden Füßen auf die Steinstücke!
Immer mehr dieser eigenartigen roten Flüssigkeit quoll daraus hervor.
Dann geschah das Unfassbare!
Die Tropfen formierten sich zu einem dicken Blutfaden, der blitzschnell einen Kreis um die beiden Männer zog.
Zamorra wollte mit einem Sidestep rasch zur Seite weichen, aber es war bereits zu spät.
Der Bannkreis hatte sich geschlossen!
Der Professor hörte Bill panisch aufschreien, der vor ihm im Boden verschwand. In der nächsten Sekunde gab auch der Boden unter seinen Füßen nach.
Seine rechte Hand fuhr mechanisch zum Amulett.
Jäh wurde es finster um ihn! Mit einem Schlag war sein Bewusstsein ausgelöscht. Zamorra hatte zuvor noch für Sekundenbruchteile das Gefühl, in eine gähnende Tiefe zu stürzen.
Die Stunde des Grauens war für Zamorra und Bill Fleming angebrochen!
***
Nicole Duval hatte sich in den Schatten einer Palme gesetzt. Sie starrte nachdenklich vor sich hin und warf kleine Steine gegen eine der Mauern.
Die Untätigkeit machte sie halb wahnsinnig!
Sie war in Gedanken bei den beiden Männern, die ihr Leben riskierten, um Estaquiro von der Templerherrschaft zu befreien!
Sie musste sich eingestehen, dass sie wahnsinnige Angst um beide, vor allem aber um Zamorra hatte! Was würden sie gerade jetzt tun?
Waren sie in Gefahr? Vielleicht waren sie gar nicht mehr am Leben?
Hundert quälende Fragen drängten sich in ihr Gehirn, bohrten unermüdlich.
Schließlich hielt sie es nicht mehr länger aus. Sie erhob sich, um auf den Einstieg zuzugehen.
»Zaaaamoooorraaa! Biiiill!«, rief sie in die Tiefe. Mit bangem Herzen verharrte sie lauschend.
Keine Antwort.
Nicole versuchte es noch einmal.
Nichts!
Sie überlegte, ob sie nach unten klettern sollte. Vielleicht brauchten sie gerade nun ihre Hilfe. Nicole spürte, wie ihr Herz bis zum Hals zu klopfen begann.
Wahrscheinlich sind die beiden wieder so sehr in ihre Arbeit vertieft, dass sie nichts hören, oder sie sind einfach zu weit weg!, redete sie sich beruhigend ein. Schließlich dachte sie an Zamorras Verbot, die Gruft zu besteigen, bis nicht er oder Bill sie rief.
Nicole hatte es satt, zu warten. Sie beschloss, die Umgebung näher zu erkunden. Zuerst war die Ruine an der Reihe. Nicole durchwanderte das verfallene Kastell und versäumte es auch nicht, auf den Glockenturm zu steigen.
Obwohl ihr nicht ganz wohl in ihrer Haut war, kletterte sie behende die steile Wendeltreppe hoch.
Nachdenklich ließ sie ihre zarten Finger über das brüchige, raue Glockenmetall gleiten.
»Unglaublich, dass sich das Ding von selbst läutet!«, murmelte sie vor sich hin, während sie den Klöppel gegen die Metallwand schlug!
Im gleichen Augenblick zuckte sie zusammen!
Nicole versuchte es mit fliegenden Fingern noch einmal. Mit aller Kraft wollte sie die Glocke zum Läuten bringen, aber kein Laut hallte durch das Kastell.
»Das gibt es doch nicht!«, rief sie aus. »Mein Gott, das ist wirklich eine Geisterglocke!«
Sie zog an dem morschen Strick, die Glocke ließ sich keinen Zentimeter weit bewegen. Nicole lauschte nach draußen, blickte durch eines der Löcher in der Mauer. Tief unten schlugen die dunkelblauen Wellen gegen den Kalkstock, die schneeweiße Gischt spritzte meterhoch in den wolkenlosen Himmel.
Kein verdächtiges Geräusch war zu hören, nichts Außergewöhnliches zu erkennen Nicole beeilte sich, den Glockenturm zu verlassen, um wieder in das unterirdische Gewölbe, in das Zamorra und Bill vorgedrungen waren, zu rufen. Sie wollte ihr Erlebnis sofort Zamorra mitteilen.
Nicole Duval erhielt wieder keine Antwort!
Sie seufzte!
Wahrscheinlich wird es noch eine Weile dauern, bis sie da unten fertig sind und nach oben kommen!
Sie wollte zum Meer hinuntersteigen, um die herrliche Brandung aus der Nähe zu bewundern. Hastig begann sie dem schmalen Felspfad zu folgen. Das Mädchen beeilte sich, denn sie wollte wieder auf dem Kastell sein, wenn Zamorra sie rief! Unter keinen Umständen wollte sie sich
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