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0060 - Das Kastell der Toten

0060 - Das Kastell der Toten

Titel: 0060 - Das Kastell der Toten
Autoren: Michael Hrdinka
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des Mittelalters aus.
    Die modrigen, vom Seewasser halb zersetzten Holzteile knarrten.
    Keine Menschenseele ließ sich an Deck des Geisterschiffes blicken.
    Ein Windstoß fuhr in das zerfetzte Segel, blähte die Stoffreste. Ein geborstener, kleiner Stützmast, der quer über dem Kahn lag, rutschte über die Reling. Kein Geräusch war zu hören, als er in das Wasser glitt.
    Zamorra wusste nicht, ob er ein wirkliches Boot oder nur eine entstandene Vision vor Augen hatte. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, welche grausame Fracht die Barkasse an Bord haben würde.
    Nur noch hundert Meter trennten das Geisterschiff von dem Anlegeplatz, auf dem die maskierten Einwohner des Fischerdorfes mit bangem Herzen warteten.
    Die bizarren Umrisse des schaukelnden Kahnes ließen ihn noch phantastischer, noch unwirklicher erscheinen, als er ohnedies schon aussah.
    Nicoles schlanke Finger tasteten nach Zamorras Hand. Das Mädchen atmete erleichtert auf, als es den beruhigenden Druck seiner Hand spürte.
    »Die Glocke hat sie hier hergeführt! Sie hat ihnen den Weg gewiesen durch die Nacht!«, meinte Bill sachlich. Er wollte sich seine Furcht nicht anmerken lassen, die von ihm Besitz ergriffen hatte. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie wenig ihn die Pistole und das Messer, das er im Hosenbund trug, vor den Templern schützen würden. Und Zamorras Amulett existierte wahrscheinlich nicht mehr!
    »Wir müssen weg von hier!«, raunte Zamorra seinem Freund zu.
    »Okay. Wir warten aber noch ein bisschen. Würde mich interessieren, was da unten geschehen wird!« Zamorra blickte wie gebannt auf das modrige, uralte Segelschiff, das jetzt einen großen Bogen fuhr. Das Steuerrad drehte sich quietschend, schien von unsichtbaren Händen präzise gelenkt zu werden.
    Man konnte ganz deutlich die Bugwelle des Kahnes erkennen, der nun ganz langsam auf den Anlegeplatz zutrieb.
    Gleich musste es gegen die Kaimauer gedrückt werden.
    Es schaukelte noch ein letztes Mal auf den geschmeidigen, trüben Wellen auf und ab, bevor es gegen den Kai stieß. Ein lautes Krachen war zu hören, als das morsche Holz den Stein berührte.
    Zamorra vermeinte für den Bruchteil einer Sekunde, es müsse zerbersten, aber es hielt dem Aufschlag stand.
    »Jedenfalls besteht es wirklich, und ist keine Illusion!«, sagte der Professor dann.
    »Ich habe Angst, entsetzliche Angst!«, gestand Nicole mit zitternder Stimme, die zu versagen drohte. Sie drückte sich gegen Zamorra.
    »Nimm dich zusammen, Nicole. Es wird uns nichts passieren!«, versuchte er sie zu beruhigen.
    »Wieso bist du da so sicher? Dein Amulett ist weg! Wie willst du gegen die Templer kämpfen?«
    »Lass das nur meine Sorge sein, Nicole!«, erwiderte er, weil er selbst keine Antwort auf diese Frage wusste, und dem Mädchen nicht eingestehen wollte, dass sie recht hatte.
    Zwei der Kapuzenmänner eilten heran, um ein Tau zu dem Geisterschiff hinüberzuwerfen, welches sie dann hastig dort befestigten und das andere Ende um einen Steinsockel am Kai schlangen.
    Zamorra starrte angestrengt zu dem Segler hinüber.
    Lautes Wiehern der äußerst beunruhigten Pferde klang zu den Beobachtern herauf. Einige der Maskierten hatten alle Hände voll zu tun, die schabrackenbedeckten Tiere zu beruhigen. Sie redeten monoton auf die Pferde ein, fassten die Zügel kürzer. Aber die Gäule schienen Gefahr zu wittern. Immer wieder schlugen sie wild mit den Hufen in den weichen Sand, versuchten sich aufzubäumen, blähten weit ihre Nüstern.
    Auf dem Geisterschiff blieb es noch einige Minuten lang ruhig, ehe sich laut knarrend die Kajütentür Stück für Stück zu bewegen begann.
    Zamorras Puls begann zu rasen. Der Meister des Übersinnlichen vermeinte plötzlich die Gefahr, die von dem Boot da unten ausging, förmlich zu spüren. Die Spannung, die in der kühlen Nachtluft lag, war mit einemmal unerträglich groß.
    Zamorra musste wissen, was geschehen würde.
    Jetzt hatte sich die Tür vollends geöffnet. Vom Wind leicht bewegt, begann sie hin und her zu schwingen.
    Eine dunkle Gestalt tauchte im Türrahmen auf. Sie bewegte sich langsam, marionettenhaft, seltsam.
    Zamorra wurde an eine Zeitlupenaufnahme erinnert. Der Unheimliche schritt bedächtig zum Bug des Schiffes. Mit seinen Händen hielt er ein scharfes blitzendes Schwert umklammert.
    Da fiel das bleiche, gespenstische Licht des Vollmondes, der genau über dem Kastell stand, auf die Gestalt.
    »Mein Gott, Zamorra! Das kann doch nicht wahr sein!«, hauchte Nicole und hielt
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