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0060 - Der Geisterfahrer

0060 - Der Geisterfahrer

Titel: 0060 - Der Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Appel
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beschützen.
    ***
    Das Schlupfloch des »Untiers«, der Maus, war zugegipst. Ich stand mit Roxane von Felseneck oben auf dem Wehrgang an der Westseite der Burg, wir schauten über den Taunus. Ein Teil von Königstein und das Dorf Falkenstein waren zu sehen.
    Die Burgruine Falkenstein grüßte herüber. Auf der Straße unterhalb der Burg, anderthalb Kilometer entfernt, fuhr ab und zu ein Auto vorbei. Das Gerattere war verstummt, die Maurer und Verputzer, insgesamt 19 Mann, hielten ihre einstündige Mittagspause.
    Diese dauerte bei ihnen von zehn vor zwölf bis kurz nach halb zwei. Aber über die Teepausen der Engländer schimpften die Deutschen immer.
    Ein paar Maurer und Verputzer saßen vor dem Wirtschaftsgebäude. Im Hauptgebäude, im noch stark nach Farbe riechenden Speisesaal, hatten wir kurz zuvor alle miteinander gegessen. Jetzt rauchte ich eine Verdauungszigarette, und Kommissar Mallmann schlenderte mit Gisela Malthus auf der Burgterrasse.
    Suko streifte irgendwo auf dem Burggelände umher.
    Der Wind zerzauste Roxanes Haar, ihr Teint war frisch, sie wirkte vital und gesund. Obwohl sie ein anderer Typ war, erinnerte sie mich an meine Freundin Jane Collins. Fast glaubte ich, Jane mit erhobenem Zeigefinger im Hintergrund zu sehen.
    Da wir alle beide sehr gefährliche Berufe hatten, war eine zu enge Bindung nicht möglich. Zudem waren wir beide Menschen, die ihren persönlichen Freiraum brauchten. Ich schätzte Jane sehr, wir mochten und ergänzten uns, aber eine gemeinsame Wohnung oder gar eine Ehe war nicht drin.
    Mit Schaudern dachte ich daran, wie Dämonen die schwangere Sheila Conolly entführt und gegen Bill und mich als Druckmittel eingesetzt hatten. [1]
    Was hätte erst meiner Familie geblüht?
    Es gab für mich also keinen Grund, bei jedem hübschen Mädchen die Augen zuzukneifen und an eine holde Angetraute oder ein festes Verhältnis zu denken. Will Mallmann war mit über vierzig Jahren nach wie vor eingefleischter Junggeselle.
    Im trauten Kreis bemerkte er gelegentlich, gegen die Ehe spräche eigentlich nur, daß man dann verheiratet sei.
    Später wollte ich mir den Burgbrunnen genauer ansehen und ein paar Tests anstellen. In der Nacht mußten wir auf der Hut sein.
    »Sie sind ein faszinierender Mann, John«, sagte Roxane von Felseneck. »Sie interessieren mich sehr.«
    Ich war knapp Einsneunzig groß und hatte blonde Haare und blaue Augen. Mein Gesicht war gutgeschnitten, mein Image eher das eines Sonnyboys. Ich hatte einen schweren, einen fürchterlichen und lebensgefährlichen Job, und ich sah nicht ein, weshalb ich mir das Leben noch weiter verbiestern sollte, indem ich als pessimistischer Trauerkloß mit Leichenbittermiene durch die Gegend schlich.
    Eine halbmondförmige Narbe auf der linken Wange, ein Andenken an meinen großen Gegner Doktor Tod, verlieh mir ein leicht verwegenes Aussehen.
    »Sie gefallen mir, Roxane«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Wollen wir das förmliche ›Sie‹ nicht endlich lassen?«
    Roxane war sofort einverstanden. Ich wickelte eine ihrer Haarsträhnen um meinen Finger, unsere Gesichter näherten sich einander. Auf einen Kuß verzichteten wir zunächst, da Will Mallmann hätte zusehen können. Sein Gefrotzel wollte ich mir ersparen.
    Wir erzählten Abenteuer aus unserem Leben. Für kurze Zeit vergaß ich die unheimliche Atmosphäre der Burg und die lauernde Gefahr. Roxane erzählte von der Burg Felseneck und von ihren Vorfahren.
    Burg Felseneck war zuerst um die Mitte des 13. Jahrhunderts erbaut worden. Von Fulko von Felseneck, einem Schlagetot, der sich beim zweiten Kreuzzug im Land der Sarazenen ein riesiges Vermögen zusammengeraubt hatte.
    Die von Felsenecks waren Raubritter, mit ihren Nachbarn lagen sie ständig in Fehde. Geistliche und weltliche Herren berannten die Burg Felseneck alle paar Jahre. Zweimal wurden die Wälle geschleift, einmal brannte alles nieder.
    Doch es überlebten immer ein oder zwei von Felsenecks, die ihre Burg an genau derselben Stelle wieder aufbauten. Mit dem Beginn der Neuzeit hatten sich dann auch die von Felsenecks umgestellt und waren Berufsoffiziere oder Großkaufleute geworden.
    Der Erste und der Zweite Weltkrieg forderten einen hohen Blutzoll von der Familie. Jetzt lebten nur noch Roxane, ihre Mutter und ihr Bruder Björn.
    Roxane studierte in Berlin Kunst und Musik. Ihre Mutter hielt sich vorzugweise an der Cote d’Azur auf. Und Björn von Felseneck machte in New Yorks Wall Street Furore, vorzugsweise als Broker im

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