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0060 - Der Geisterfahrer

0060 - Der Geisterfahrer

Titel: 0060 - Der Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Appel
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eingestickten Symbol des Fürsten der Hölle. Ein Schauer lief mir über den Rücken, ich zog das Tuch weg.
    Und prallte zurück. An einer ypsilon-förmigen Gabel hing eine Fledermaus. Sie war tot, von einem hölzernen Pflock durchbohrt. Die Flügel hatte man angenagelt.
    »Hier werden Schwarze Messen gefeiert, Suko«, sagte ich, und meine Stimme klang dumpf in der hohen Kapelle.
    Ein Quietschen ließ mich herumfahren. Ein Wandteil war aufgeschwungen, und in der entstandenen Öffnung neben dem Altar erblickte ich ein scheußliches Wesen. Blaß, in Leichentücher gehüllt, mit schulterlangem, verfilztem grauem Haar.
    Die Haut des Monsters war lederartig und trocken wie bei einer Mumie. Die glasigen Augen starrten mich an, und ein dumpfes Heulen drang aus der vermoderten Kehle. Eine Klauenhand hob sich und winkte mir.
    Ich hatte einen Wiedergänger vor mir, einen lebenden, aus dem Grab gestiegenen Toten. Ein ekelerregender Gestank strömte von ihm aus.
    Ich packte die Gnostische Gemme und war mit einem Sprung bei der Wand. Aber die Geheimtür schloß sich blitzschnell in ihren Scharnieren. Ein kurzes Quietschen und ein dumpfer Laut waren nur zu hören.
    Ich riß das rote Tuch von der Wand, das die Geheimtür wiederum verhüllte, und warf mich dagegen. Aber die Tür war massiv, selbst mit Sukos Hilfe konnte ich nichts ausrichten. Die Karatefäuste und -füße des massigen Chinesen dröhnten gegen die Wand – umsonst.
    Die Fugen der Geheimtür waren so fein, daß wir nicht einmal den Silberdolch hineinzwängen konnten. Es war auch kein Mechanismus zu entdecken, der diese Tür öffnete.
    »Hier kommen wir nicht weiter, Suko«, sagte ich. »Jetzt wollen wir mal den Burgbrunnen überprüfen. Und dann wird uns Dietrich Künzler ein paar Fragen beantworten müssen.«
    Ich schaute auf die Armbanduhr, es war 13 Uhr 58. Bis Sonnenuntergang mußten wir noch einige Vorbereitungen treffen.
    Als wir die Kapelle verließen, begann ein Nieselregen. Heftige Windstöße peitschten über den Taunus und umheulten Burg Felseneck. Die zwei Burgarbeiter wollten gerade das große Tor schließen, als die beiden jungen Franzosen hereinmarschierten.
    Der große Jean Arnois mit der Gitarre und der kleine Bernard Roget mit der Nickelbrille. Sie steckten in ihrer Wanderkluft und trugen die Rucksäcke auf dem Rücken.
    »Parbleu, was für ein Wetter!« schimpfte Jean Arnois. Er wandte sich an mich. »Monsieur, legen Sie doch ein gutes Wort für uns ein. Wir wollen nämlich für eine Weile hierbleiben, damit wir später unseren Kommilitonen berichten können, daß wir auf einer echten Spukburg gewesen sind.«
    Die Arbeiter hatten das Tor geschlossen. Die Blicke, die sie mir, dem Kommissar und den zwei jungen Franzosen zuwarfen, gefielen mir gar nicht. Auch nicht der höhnische Ausdruck ihrer Gesichter.
    Sie marschierten ins Hauptgebäude, wo sie Dietrich Künzler informierten.
    »Gehen Sie wieder weg, wenn der Regen vorbei ist«, forderte ich Jean und Bernard auf. »Das ist hier kein Platz für Sie. Sonst ist es nämlich möglich, daß Sie Ihren Kommilitonen überhaupt nichts mehr erzählen können, weil Sie nämlich nicht zu ihnen zurückkehren werden.«
    Die beiden sahen sich betroffen an. So ernst hatten sie sich die Lage nicht vorgestellt. Aber im nächsten Moment triumphierte schon wieder ihr Leichtsinn.
    Der kleine Bernard tönte: »So schlimm wird es wohl nicht sein. Ein bißchen Geheule, Leuchterscheinungen, das bringt keinen um. Das wollen wir erst einmal sehen. Wir sind schließlich nicht von Pappe.«
    Ich hoffte darauf, daß Dietrich Künzler die beiden Tippler von der Burg jagen würde. Aber ich wurde enttäuscht. Er streckte sein fettes Gesicht aus dem Fenster und lächelte überfreundlich.
    »Ah, die beiden ›Mossjöhs‹. Sie haben den Weg also wieder hergefunden? Entschuldigen Sie auch vielmals, daß ich gestern abend so unfreundlich zu Ihnen gewesen bin. Wenn ich es mir recht überlege, kann ich Sie recht gut noch in der Bürg unterbringen. Man muß schließlich etwas zur Völkerverständigung beitragen.«
    Jean und Bernard bedankten sich, und Dietrich Künzler wollte ihnen gleich ein Quartier in der Kemenate anweisen lassen. Die Wolken öffneten ihre Schleusen, und ein Regenschauer prasselte vom Himmel. Wir flüchteten zu unserem Quartiergebäude hinüber, wo sich Kommissar Mallmann im Treppenhaus mit Roxane von Felseneck und Gisela Malthus unterhielt. Wenn ich bis dahin gehofft hatte, die zwei jungen Franzosen doch noch bewegen

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