0060 - Der Geisterfahrer
brüllte, aber er verstummte rasch wieder.
Mit ungläubiger Miene betastete er seinen Hals, wo nur noch ein rotes Mal zu sehen war. Seine Kollegen rückten gegen mich vor, ihre Gesichter waren finster, die Fäuste geballt. Kommissar Mallmann bemühte sich, die aufgebrachten Männer zu beschwichtigen.
»Was haben Sie da angestellt?« fragte der vom Vampir Gebissene. »Die ganze Zeit, seit mir das passierte, fühlte ich mich hundeelend. Es brannte und stach in der Bißwunde, und ich meinte, ferne Stimmen zu hören. Aber jetzt sind die Beschwerden wie weggeblasen.«
Ich hängte das Kreuz wieder um den Hals.
»Auf Burg Felseneck ist es nicht geheuer«, sagte ich. »Ich kann es Ihnen allen nicht verdenken, wenn Sie hier nicht mehr arbeiten wollen. – Sie sind von einem dämonischen Wesen angefallen worden. Ohne mein geweihtes Kreuz hätte die Wunde ernste Folgen für Sie haben können.«
Die Männer flüsterten miteinander und murmelten. Einer schlug das Kreuzzeichen. Sie informierten ihre Kollegen, die auf der Kellertreppe und im Erdgeschoß warteten. Der Spuk war ihnen allen in die Glieder gefahren. Die Männer waren heilfroh, den unheimlichen Keller verlassen zu können.
Ich suchte den Nebenraum auf und klopfte die Wände ab. Der Kellerraum war leer, ich konnte keine Geheimtür entdecken. Das besagte nicht viel, vielleicht war sie zu gut getarnt.
Außerdem vermochte ein Dämon oder ein Vampir selbst durch einen haarfeinen Riß in einen Raum einzudringen oder daraus zu entweichen.
Ich stieg die Kellertreppe hoch. Kommissar Mallmann und die beiden Mädchen warteten draußen. Auch Suko war wieder da. Er nahm mich zur Seite.
»Ich habe das Vorhängeschloß an der Tür der Schloßkapelle geknackt und war drinnen«, sagte er. »Die Kapelle solltest du dir nachher einmal ansehen, John. Dort erwartet dich eine Überraschung.«
***
Die Maurer und Verputzer weigerten sich, auch nur noch einen Handschlag zu arbeiten. Die zwei Poliere, Dietrich Künzler und einer seiner Burgarbeiter, traten aus dem Hauptgebäude.
Künzler beschimpfte die Poliere. Die Männer machten alle zornige Mienen.
»Leck mich doch am…!« sagte der Verputzerpolier schließlich zu dem Burgverwalter. »Verputz dir dein… Schloß doch allein! Mich siehst du hier nicht wieder.« Er klatschte in die Hände. »Auf, Leute, packt alles zusammen! Wir fahren ab!«
»Und wir auch!« rief der Maurerpolier. »In diesem alten Gemäuer sollen sich andere beißen lassen. Der Chef ist meiner Meinung.«
Dietrich Künzler drohte mit der Faust.
»Das wird Ihre Firmen teuer zu stehen kommen, das sage ich Ihnen! So eine Faulenzerbande habe ich mein Lebtag noch nicht gesehen!«
»Verschwinde bloß in deinem Bau, du fette…!« riefen ihm ein paar kräftige Männer zu. Ihr Spruch reimte sich sogar. »Das brauchen wir uns von dir nicht sagen zu lassen! Ein Wort noch, und dir fliegen ein paar Backsteine ins Kreuz!«
Wutschnaubend drehte Künzler sich auf dem Absatz um und verschwand im Hauptgebäude. Der Arbeiter trottete hinterher. Ich mußte grinsen, der Ton auf dem Bau war nun einmal ein rauher. Aber als Faulenzer hätte Künzler die Männer nicht bezeichnen dürfen, sie waren nämlich keineswegs welche.
Danach war für sie endgültig Feierabend. Binnen zehn Minuten hatten die Maurer und Verputzer ihr Gerät in die Wagen gepackt und waren selber eingestiegen. Die Gerüste, die Kalkwannen und die Mischmaschine ließen sie erst einmal stehen, sie sollten später von Lastwagen abgeholt werden.
Zuerst fuhren die drei Pkws von der Burg, dann die VW-Busse und der Lieferwagen. Kommissar Mallmann und die beiden Mädchen Roxane und Gisela wollten sich in die Kemenate begeben. Roxane hatte vor, den fetten Künzler später zur Rede zu stellen, aber der Kommissär meinte, das habe sowieso keinen Zweck.
Ich folgte Suko in die Burgkapelle. Schon vor der Schwelle stutzte ich. Denn in die Schwelle war ein Satansschlüssel eingemeißelt.
Als ich die Tür der nicht allzu großen, düsteren Kapelle aufstieß, schlug mir dumpfer Modergeruch entgegen. Ich sah kein Kreuz und auch kein sonstiges christliches Symbol. Der Altar war mit schwarzen und roten Tüchern verhängt, an die Wände hatte man mit Blut und Pech magische Symbole geschmiert.
Es gab sechs Bankreihen und eine kleine Empore. Der Altar stand im Hintergrund erhöht. Ich stieg die Stufen hinauf, während Suko in der Mitte der unheiligen Kapelle stehenblieb.
Vor dem Tabernakel hing ein schwarzes Tuch mit dem
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