0060 - Der Geisterfahrer
erwiderte der pampig. »Steigen Sie doch hinab und sehen Sie nach.«
***
Nachdem sie die Arbeit auf der Burg niedergelegt hatten, fuhren die neunzehn Maurer und Verputzer nicht sofort nach Hause. Sie kehrten in Königstein im »Goldenen Ochsen« ein, wo sie den freien Nachmittag feiern und über die Ereignisse auf der Burg reden wollten. Die neunzehn Männer rückten zwei Tische zusammen und bestellten gleich die erste Runde.
Die nächsten Stunden verstrichen wie im Flug. Da wurde geredet und debattiert, von der politischen Lage bis zu einem Verputzer, dem die Frau durchgebrannt war. Aber immer wieder kehrte das Gespräch zum Ausgangs- und Angelpunkt zurück: zur Burg Felseneck und dem Spuk.
Es war schon dunkel, als der Verputzer Walter Holzapfel die allgemeine Ansicht zum Schluß noch einmal zusammenfaßte: »Bei dere fette… schaffe mir net mehr!« sagte er im schönsten Hessisch.
Holger Redloff, der Verputzerpolier, rief zum Aufbruch.
»Es ist spät genug, Leute. Wir fahren nach Hause.«
Es gab einige Einwände, aber Holger Redloff und der Maurerpolier Karl Dassmann ließen sich nicht umstimmen. Schließlich wollten die Leute am nächsten Tag wieder arbeiten, wenn auch nicht auf Burg Felseneck.
Die Männer tranken aus und beglichen ihre Zeche. Nur Walter Holzapfel wollte nicht hören und rief die Bedienung herbei.
»Frau Wertschaft, e Bier un en Korze.«
Der »Kurze« war ein klarer Schnaps. Holger Redloff annullierte die Bestellung.
»Walter, du hast genug. Deine Alte hat mit dem Chef sowieso vereinbart, daß dein Lohn auf ihr Konto überwiesen wird, über das du keine Verfügungsgewalt hast. Weil du sonst den größten Teil des Geldes versäufst.«
Walter Holzapfel wurde nie gern daran erinnert, daß er bei seiner Emma unter dem Pantoffel stand.
»No unn?« fragte er. »Dess is doch mei Sach. Unn jetzt trink ich mei Bier und mein Korze grad. Fahrt ihr nur fort, ich kumm schun haam.«
Redloff zuckte die Achseln. Er kannte Holzapfel. Der Mann war einer seiner tüchtigsten Verputzer. Aber wenn er getrunken hatte, konnte man nicht mehr mit ihm reden.
»Wie du meinst, Walter. Aber das sage ich dir, wenn du morgen nicht pünktlich zur Arbeit erscheinst, kannst du was erleben.«
»Is recht.«
Walter Holzapfel sah seine Kollegen abziehen. Er hätte mit Holger Redloff und einem weiteren Mann aus der Verputzerkolonne im Ford 20 M des Poliers nach Bad Homburg fahren sollen. Aber er wollte nicht. Holzapfel ahnte nicht, daß sein Durst sich diesmal sehr günstig für ihn auswirken würde.
Er rettete ihm nämlich das Leben. Vor der Gaststätte verabschiedeten sich die Männer lautstark. Autotüren schlugen zu, Motoren wurden gestartet. Die drei Pkw, der Lieferwagen und die zwei VW-Busse fuhren an.
Die Fahrer hatten alle wenig getrunken, darauf hatten die zwei Poliere geachtet. Schließlich waren die Männer beruflich auf ihren Führerschein angewiesen.
Holger Redloff wußte, daß er mit seinen drei Weinschorlen noch knapp unterhalb der Promillegrenze blieb. Er mußte wie sein Mitfahrer nach Bad Homburg, er wollte über die B 455 fahren.
Es war trübes Wetter, der nasse Asphalt glänzte im Scheinwerferlicht.
»Dieser Walter ist doch ein alter Schluckspecht«, sagte der Beifahrer Josef Meier und schüttelte den Kopf. »Wetten, daß sein Schwager wieder um Mitternacht losbrausen mußt, um ihn aus der Kneipe abzuholen? Und daß er morgen einen dicken Kopf hat?«
»Da brauche ich nicht zu wetten.«
Redloff fuhr durch Oberursel. Es waren nur noch wenige Kilometer bis Bad Homburg. Er hatte das Autoradio eingeschaltet und hörte den hessischen Verkehrsfunk HR 3. Nach einer kurzen Durchsage sang Heino mit markiger Stimme von der »Schwarzen Barbara«.
Redloff steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und drückte den Zigarettenanzünder am Aschenbecher ein. Er kam nicht mehr dazu, die Zigarette anzuzünden. Plötzlich fuhr ein roter Wagen vom Straßenrand los.
Er war von einer Sekunde zur anderen aufgetaucht. Ein grünliches Licht umgab ihn. Holger Redloff unterdrückte einen Fluch. Er wollte bremsen, denn der Abstand erschien ihm zu knapp. Aber er konnte es nicht.
Magisch angezogen haftete sein Blick an dem Geisterwagen und an dem bleichen Totenschädel an der hinteren Stoßstange. Eine schwarzgekleidete Gestalt mit schwarzer Kapuze saß hinterm Steuer des Wagens, in dessen Innern es schwach grün fluoreszierte.
Der Polier und sein Beifahrer spürten einen Schmerz im Gehirn, von da an waren sie
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