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0060 - Der Geisterfahrer

0060 - Der Geisterfahrer

Titel: 0060 - Der Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Appel
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zu können, die Burg zu verlassen, so mußte ich mir das jetzt aus dem Kopf schlagen. Nur mit massiver Gewalt hätte man sie noch wegbringen können. Jean Arnois sah Gisela Malthus, und es war, als ginge in seinem Gesicht die Sonne auf.
    Der kleine Bernard Roget aber erblickte Roxane von Felseneck und stand wie vom Donner gerührt. Er ließ den Rucksack fallen, den er in der Hand hielt, er sah drein wie ein Schlafwandler.
    Gisela Malthus gefiel Jean Arnois, aber er verlor darüber seinen klaren Verstand nicht. Im Gegensatz zu Bernard Roget.
    Der kleine Franzose verliebte sich auf den ersten Blick unsterblich und glühend in die schöne Roxane. Es traf ihn wie ein Blitzschlag. Nicht allen Menschen passiert so etwas, und meist kommt der Effekt in einem völlig unerwarteten Moment.
    Bernard Roget hatte nur noch Augen für Roxane von Felseneck. Mit seinen Einsdreiundsechzig reichte er ihr knapp bis übers Kinn, dafür war er wesentlich pummliger als sie. Um keinen Preis der Welt würde Bernard aus der Nähe des Mädchens weichen, dessen Haar wie eine rote Flamme leuchtete.
    Dabei hatte seine Liebe so gut wie keine Aussicht auf Erwiderung. Aber das wollte Bernard nicht wissen, er war wie blind.
    ***
    Als der Regen aufgehört hatte, gingen Suko und ich zu dem Burgbrunnen mit der Zugwinde. Nach dem Regen wehte frische Waldluft über die Burg hin, die Hänge des Taunus dunsteten. Ich schaute in den Brunnen hinab.
    Ein scheußlicher Modergeruch schlug mir entgegen. Weit entfernt meinte ich phosphoreszierende Fünkchen zu sehen, die mich belauerten. Suko entzündete ein Blatt zusammengeknülltes Zeitungspapier mit dem Feuerzeug und ließ es in den Brunnen hinunterfallen.
    Es trudelte tiefer und tiefer. Die Flamme wurde immer kleiner, schließlich war nur noch ein glimmendes Fünkchen zu erkennen. Der Brunnen mußte ungeheuer tief sein, siebzig Meter mindestens.
    »Okay, Suko«, sagte ich. »Dann wollen wir mal.«
    Wir beugten uns über den Brunnenrand, und ich murmelte aus dem Gedächtnis einen starken Bannspruch, der in die Brunnenröhre hineingrollte.
    Mit meiner Gnostischen Gemme beschrieb ich magische Linien in der Luft über der Brunnenöffnung. Dann zerbrach ich einen Weihwasserflakon und ließ ihn hinunterfallen.
    »Achtung«, sagte ich, und wir zogen die Köpfe zurück.
    Im richtigen Moment, das Ergebnis war überwältigend. Ein fürchterliches Geheule wie aus tausend Teufelskehlen gellte in dem Brunnenschacht hoch und fuhr heraus wie aus einem riesigen Megaphon. Schwarzer Staub wirbelte empor und verdunkelte die Sicht.
    Über dem Söller aber erschien die grünliche Scheibe, wirbelte wie ein Feuerrad, so daß die magischen Symbole schwarze Kreise bildeten, und schleuderte uns Blitze entgegen. Der Boden zitterte, als bäume sich tief unten etwas Gewaltiges auf.
    Die Blitze des wirbelnden Feuerrades erreichten Suko und mich nicht, sie verpufften in der Luft. Denn ich reckte mein geweihtes silbernes Kreuz empor.
    Es stank nach Schwefel. Das Geheule schwoll zu einem Orkan an und brach dann jäh ab. Die Stille marterte die Ohren. Im Brunnenschacht rumorte es, die Feuerscheibe löste sich auf, und der schwarze Staub sank wie Rußflocken nieder.
    »Weg da!« rief ich Suko zu.
    Wir rannten zur Seite. Im nächsten Moment schoß eine Wassersäule wie die Fontäne eines Geysirs aus dem Brunnenschacht, stieg fünfzehn, zwanzig Meter hoch empor und klatschte dann nieder.
    Das faulige, stinkende Wasser durchnäßte uns bis auf die Haut. Das war das Ende des Spuks. Suko schüttelte sich wie ein Hund, der ins Wasser gefallen ist.
    »Ob wir den Spuk im Burgbrunnen gebannt haben, John?«
    Damit rechnete, ich nicht. Es wäre zu einfach gewesen. Das Resultat war so, als ob wir den dämonischen Mächten einen Nadelstich in ein empfindliches Nervenzentrum versetzt hätten. Noch einmal würde uns das vermutlich nicht gelingen.
    Kommissar Mallmann, Roxane, Gisela und die zwei Franzosen stürzten aus dem Quartiergebäude. Sie schrien uns zu, was vorgefallen sei. Künzler, ein Burgarbeiter, die Köchin und eine Gehilfin zeigten sich beim Hauptgebäude.
    Der fette Burgverwalter stapfte herbei.
    »Was in Teufels Namen haben Sie jetzt wieder angestellt, Sinclair?«
    »Das müßten Sie am besten wissen, Herr Künzler«, antwortete ich. »Wir wollen uns mit Ihnen unterhalten. Aber zuerst müssen wir unsere Kleider wechseln.«
    »Was steckt da unten im Brunnen?« fragte Will Mallmann den Burgverwalter scharf.
    »Woher soll denn ich das wissen?«

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