0060 - Ich saß im Todesblock
abzusitzen?«
Bill machte ein ernstes Gesicht, indem er auf die Papiere deutete: »Jerry Holeday, Todesstrafe wegen Doppelmord. Phil O’Brien fünfzehn Jahre wegen schweren Raubüberfalles in Tateinheit mit dreifacher, schwerer Körperverletzung.«
Der bullige Sergeant der Wachmannschaften kratzte sich hinter den Ohren.
»Na, das sind ja zwei hübsche Pflänzchen! - Holeday!«
Ich trat einen Schritt vor und versuchte, ein Gesicht zu machen, das einigermaßen zu einem Doppelmörder passen konnte. Der Sergeant stand auf und umkreiste mich, wobei er mich von oben bis unten musterte.
»Sieht gar nicht wie ein Doppelmörder aus«, kommentierte er.
Na, das war ja sehr schmeichelhaft für mich.
»Also dich haben sie zur Gaskammer verknackt?«, stellte er fest, während er sich vor mich hinpostierte und auf den Zehen wippte.
»Scheint so«, nickte ich.
»Machst du dir Hoffnungen von wegen Gnadengesuch und so?«
Ich schüttelte den Kopf.
»No. Wie ich die Leute in Washington kenne, wird es denen nichts ausmachen, ihren Namen unter die Vollstreckungsurkunde zu schreiben.«
»Hahaha! Da hast du freilich recht. Ist auch nicht schade um euch Banditen! Wer andere umbringt, soll auch abgemurkst werden, das ist meine Meinung. Hör zu, Holeday! Du kannst es bei uns einigermaßen gemütlich haben für die Tage, die du hier noch auf die Hinrichtung zu warten hast. Aber wenn du uns Schwierigkeiten machst, dann können wir auch anders. Wir können dir das Leben hier so hübsch machen, dass du deine Hinrichtung geradezu herbeisehnst, klar?«
»Okay, Chef«, brummte ich.
Der Sergeant wandte sich wichtigtuerisch an Phil, der ihn unverschämt angrinste. Getreu seiner Rolle als mehrfach vorbestrafter Gangster zeigte Phil die Gelassenheit eines Mannes, der nicht zum ersten Mal ein Zuchthaus von innen sieht.
»Und nun zu dir«, begann der Sergeant, während er seine Fäuste in die Hüften stemmte. »Du hast also fünfzehn Jahre?«
Phil nickte gelassen.
»Stimmt, aber du wirst mir recht geben, wenn ich behaupte, dass sie mich ja doch nach acht bis zwölf Jahren vorzeitig auf dem Gnadenwege entlassen. Hab ich recht? Was meinst du?«
Er betonte das »Du«, mit dem er den Sergeanten ansprach, derart, dass es jedem auffallen musste. Der Sergeant bekam denn auch prompt einen Tobsuchtsanfall. Er brüllte auf Phil ein, dass sich jeder andere fast verkrochen hätte. Phil allerdings lächelte nur.
»Fertig?«, fragte er dann, als der Sergeant einmal Luft holen musste. »Soweit ich weiß, besteht eine Vorschrift, dass auch ein Zuchthäusler noch ein Mensch ist und dementsprechend behandelt zu werden hat. Dazu gehört auch, dass man ihn mit dem üblichen ›Sie‹ anspricht. Okay?«
Der Sergeant wollte wieder anfangen zu brüllen, da mischten sich unsere beiden Kollegen ein.
»Nun halten Sie mal die Luft an!«, sagte Bill ruhig. »Was Sie mit den Burschen hier machen, das ist Ihre Sache. Unterschreiben Sie mir eben den Empfang der beiden Leutchen, damit wir uns wieder verdrücken können. Ich habe keine Lust, mir noch ein paar Stunden lang Ihre Brüllerei anzuhören.«
Vor einem G-man der Bundespolizei ist ein Sergeant aus den Wachmannschaften irgendeines Zuchthauses natürlich nur ein kleiner Knabe, und deshalb hütete sich der bullige Kerl auch, unserem Kollegen etwas Scharfes zu erwidern. Mit einem G-man anzubinden, ist immer eine zweischneidige Sache. Bill bekam also die erforderlichen Stempel in seine Papiere, nahm sie zusammen und verschwand mit Roger, nachdem sie sich mit einem unauffälligen Blick von uns verabschiedet hatten.
Und dann begann für uns der übliche Ritus. Zivilkleidung ablegen, unter Aufsicht mit einer widerlich stinkenden desinfizierenden Seife waschen, beim Friseur die Haare scheren lassen, Untersuchung beim Arzt und so weiter und so fort.
Der Zuchthausdirektor empfing uns erst, als wir bereits die rauen Sachen der Sträflinge auf unserer Haut trugen. Da ein paar Wärter dabeistanden, behandelte er uns wie jeden anderen Neuzugang auch, obgleich er natürlich Bescheid wusste, wer wir beide in Wirklichkeit waren.
Dann trennte man uns. Phil wurde zum Block C 4 gebracht, ich wurde unter schwerer Bewachung in den Todesblock gebracht. Nachdem sich fünfmal schwere Gittertüren vor uns geöffnet und automatisch hinter uns wieder geschlossen hatten, marschierte ich mit den schweren Anstaltsschuhen einen langen Korridor entlang. Vor mir war ein Wärter, hinter mir einer.
Links war nackte Betonwand. Rechts
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